Bürgergeld, Pflege, Rente – alles zu teuer? Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind die Sozialausgaben nicht übermäßig gestiegen. Ein Bereich bereitet allerdings Sorgen.
Die Gesamtausgaben für die soziale Sicherung in Deutschland sind nach Einschätzung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nicht auffällig groß und nicht auffällig gestiegen. Gemessen an der Gesamtwirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt, seien die Ausgaben in zentralen Bereichen wie Grundsicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung sogar unverändert oder niedriger als vor 15 oder vor 20 Jahren, erklärte die Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf zur aktuellen Debatte um das Bürgergeld. Dabei bezog sich die Stiftung auf eine neue Auswertung des eigenen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
Allerdings sei die Ausgabenquote für die Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Pflegeversicherung gestiegen, so die Stiftung. Dabei spielten auch politische Entscheidungen eine Rolle. So verbessere der starke Ausbau der Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit. Zudem würden Pflegeleistungen besser vergütet, die auf Prävention abzielten. Wirklich problematisch ist laut IMK die Kostenentwicklung lediglich in einem Bereich: dem Gesundheitssystem. Neben erfolgversprechenden Reformansätzen kursierten aber auch dort eher kontraproduktive Ideen.
“Den Staat und auch die soziale Sicherung effizienter und gerechter machen zu wollen, ist absolut legitim und angebracht”, erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. “Die aktuelle Sozialstaatsdebatte krankt aber oft an einem Fokus auf Schein- oder sekundären Problemen.” Nach nationaler Messung 2024 habe die Sozialleistungsquote bei 31,0 Prozent gelegen, 1,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr, aber immer noch spürbar unter den Ständen von 2020 und 2021.
Der Sozialstaat hat laut IMK-Analyse seit 2022 in erster Linie ein Problem unzureichenden Wirtschaftswachstums und nicht übermäßiger Ausgabensteigerungen. Denn die Wirtschaftsleistung sei sowohl 2023 als auch 2024 im Jahresdurchschnitt geschrumpft. Selbst konstante Sozialleistungen würden in einer solchen Situation rechnerisch zu einem Anstieg der Sozialleistungsquote führen. Generell seien die inflationsbereinigten Sozialausgaben in Deutschland von 2009 bis 2019 ziemlich genau mit dem Trend des Bruttoinlandsprodukts gewachsen.
Nach Angaben der Stiftung gingen die Ausgaben für die Rentenversicherung in den vergangenen 20 Jahren spürbar zurück – von 10,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2004 auf zuletzt 9,4 Prozent. Im 20-Jahres-Vergleich seien auch die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung von 2,3 auf 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken. Im Vergleich mit 2010 seien die Ausgaben für Bürgergeld, Eingliederungshilfen und Sozialhilfe im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sogar leicht zurückgegangen: von 2,8 auf 2,7 Prozent.