Künstler, die das Wappen für den Plenarsaal sowie andere Werke für den Landtag anfertigten, wurden auf ihre Vergangenheit in der NS-Zeit “durchleuchtet”. Auch ehemalige Landtagspräsidenten. Nun liegen die Ergebnisse vor.
Das Parlament von Baden-Württemberg hat NS-Bezüge von im Landtag ausgestellten Kunstwerken wissenschaftlich untersuchen lassen. Nun wurden erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des 2024 gestarteten Forschungsprojekts vorgelegt, wie der Landtag am Mittwoch in Stuttgart mitteilte. Demnach ist es bundesweit das erste derartige Projekt in einem Flächenland.
Der Wissenschaftliche Beirat des Projekts sieht “zu folgenden Künstlern und ihren Kunstwerken aufgrund der formalen Belastung beispielsweise durch Mitgliedschaft in der NSDAP oder in anderen NS-Organisationen Handlungsbedarf”: Walter Brudi (1907-1987), David Fahrner (1895-1962), Jakob Wilhelm Fehrle (1884-1974) und Fritz von Graevenitz (1892-1959). Auf ihre NS-Vergangenheit “durchleuchtet” wurden Künstlerinnen und Künstler, die etwa mit der Anfertigung des Großen Landeswappens für den Plenarsaal sowie mit Gemälden oder Plastiken für Räume und Wandelgänge beauftragt worden waren.
“Handlungsbedarf” bestehe auch bei vier mit Büsten dargestellten Landtagspräsidenten: Erich Ganzenmüller (1914-1983), Franz Gurk (1898-1984), Carl Neinhaus (1888-1965) und Camill Wurz (1905-1986). Insgesamt neun auf Stelen angebrachte Büsten im Foyer der Volksvertretung erinnern an ehemalige Landtagspräsidenten. Im Gutachten wird betont, dass es sich bei den vier “formal belasteten” ehemaligen Landtagspräsidenten nicht um aktiv an NS-Verbrechen Beteiligte handele.
Auch sie sollten aber – wie alle genannten Künstlerinnen und Künstler – “auf geeignete Weise kommentiert werden” – was durch Hinweise direkt an den Kunstwerken sowie auf der Homepage des Landtags geschehen soll. Es gehe darum, “formale Belastungen sowie Brüche und Kontinuitäten in den Biografien der Kunstschaffenden und Politiker sichtbar zu machen”. Zugleich solle aber ihre Integration in die westdeutsche Nachkriegsdemokratie erkennbar werden.
Das Gutachten “NS-Bezüge der im Landtag von Baden-Württemberg ausgestellten Kunstwerke” ist ab sofort auf der Homepage der Landeszentrale für politische Bildung abrufbar. Es wurde mit Mitteln der Baden-Württemberg Stiftung finanziert und auf Initiative von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) unter Koordinierung der Landeszentrale für politische Bildung erstellt.
Frank Engehausen, Experte des Historischen Seminars der Universität Heidelberg, und Leonie Beiersdorf, Kunsthistorikerin der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, haben die Ergebnisse bereits dem Landtagspräsidium vorgestellt. Ein zweites Forschungsprojekt zur “NS-Vergangenheit südwestdeutscher Landtagsabgeordneter nach 1945” soll voraussichtlich bis Ende 2027 abgeschlossen sein.