Häftlinge gestalten einen Andachtsraum

Zusammen mit der Künstlerin Barbara Wetzel arbeiten Insasen der Justizvollzugsanstalt Waldeck am Andachtsraum. Die Einweihung ist rechtzeitig zu Weihnachten geplant.

Pastor Sebastian Borck (2.v.l.), Leiter Hauptbereich 2 der Nordkirche, Gefängniseelsorger Martin Kühn (links) und Gabriele Hesse
Pastor Sebastian Borck (2.v.l.), Leiter Hauptbereich 2 der Nordkirche, Gefängniseelsorger Martin Kühn (links) und Gabriele HesseMarion Wulf-Nixdorf

Waldeck. Der Wachmann kontrolliert jedes einzelne Werkzeug, das die Holzbildhauerin Barbara Wetzel und ihre Partnerin Gabriele Hesse aus ihrem Kleinbus in eine Karre umladen, im Eingangsbereich der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Waldeck. Handsägen, Holzhammer, Pinsel, Bandschleifer, Farben … „Das, was sie reinbringen, müssen sie auch wieder rausbringen“, erklärt der Justizvollzugsbeamte, der heute extra für dieses Projekt abgestellt wurde und dem es sichtlich Freude macht, dabei zu sein.
Die Künstlerin Barbara Wetzel aus Katelbogen erarbeitet über mehrere Monate mit acht Gefangenen die Gestaltung eines Andachtsraums. Alle 14 Tage kommt sie für drei Stunden hierher. Weil sie nicht jedes Mal dasselbe Handwerkszeug und Material mitbringt, muss alles jedes Mal neu beantragt werden. „Es könnte ja als Waffe benutzt werden“, sagt Wetzel.

Biblische Geschichte als Grundlage

Als alles kontrolliert ist, geht es in den Raum, der für verschiedene Veranstaltungen, auch Therapien, genutzt wird und dessen Fenster gestaltet werden sollen. Ein kleiner Bereich ist bereits mit einer Glaswand als Andachtsraum von dem größeren Raum abgeteilt worden, finanziert von der JVA. Damit ist der Andachtsraum sichtbar, trotzdem in sich geschlossen und kann durch das Öffnen der Glaswand vergrößert werden.
Dieser größere Raum, in dem die acht Gefangenen nun arbeiten, zusammen mit dem evangelischen Gefangenenseelsorger Pastor Martin Kühn, seiner Kollegin Ursula Dierich von der katholischen Kirche, der Holzbildhauerin Wetzel und ihrer Partnerin, hat fünf Fenster auf der einen Seite in den Außenbereich, gegenüber weitere Fenster, die den Blick in den Sportraum freigeben. Die Fenstergestaltung soll gemeinsam von Insassen und der Künstlerin entwickelt werden. Der Raum soll sozusagen gegen das restliche Umfeld abgeschirmt werden – als besonderer Raum im Gefängnis eben.
Es ist ein Prozess, in den sich einige Gefangene freiwillig begeben haben, unter Anleitung der Profi-Künstlerin. Aus Linde, einem gut bearbeitbarem Holz, stehen Holzbretter zur Verfügung, auf die Entwürfe gezeichnet werden. Die biblische Geschichte von Silas und Paulus im Gefängnis aus der Apostelgeschichte dient als Grundlage. Im Ostergottesdienst, den die beiden Gefängnisseelsorger mit der Künstlerin und ihrer Partnerin gemeinsam vorbereitet hatten, stellte Barbara Wetzel die Geschichte vor. Im Gefängnis sei es besonders deutlich, was es bedeute, gefangen zu sein, sagt sie. Aber sei nicht jeder Mensch gefangen in irgend etwas? In Krankheit? In Gewohnheiten? Was heißt es, nicht aus seiner Haut heraus zu können? Fragen, die auf der Tagesordnung stehen – drinnen und draußen.

Neuland für Gefangene

Barbara Wetzel hat Bücher ausgelegt mit Holzschnitten berühmter Kollegen, zur Orientierung. Man spürt den meisten Gefangenen an, dass sie solche Kunst noch nie gesehen haben. Sie blättern, zum Teil interessiert, mehr sprachlos. Hier und da beginnt ein Gespräch. Ein Gefangener hat auf sein Holzbrett eine schöne Frau gezeichnet. Wie man die dann ausschneiden kann? Profi Wetzel erklärt die Reduzierung der Form.
Aus den Holzbrettern werden Vorlagen ausgeschnitte, beim Sägen mit der Elektromaschine wird es richtig laut. Alle tragen Gehörschutz, die meisten Männer können gut mit den Werkzeugen umgehen. Ab und zu muss Barbara Wetzel sich Gehör verschaffen, bittet sie, die lauten Werkzeuge auszuschalten. Außerdem betont sie, hier entstehe eine Gruppenarbeit, dafür brauche man Regeln.
Die entstehenden Reliefs werden dann in der Werkstatt von Barbara Wetzels als Druckstöcke genutzt. Beim Drucken erhalten sie eine Farbfassung, die die Oberfläche der Vorderseite betrifft, erklärt sie ihre weiter geplante Vorgehensweise. Sie will vor allem mit Lichttönen arbeiten, Hellgrün, Lichtgrau, Weiß, Rot.

Bislang fehlte der Platz

Vom Sportraum aus sollen die Reliefs als Schattenrisse zu sehen sein. Auch bei den Fenstern in den Hof geht es darum, Lichtdurchlässigkeit zu gewährleisten und gleichzeitig Schutz zu bieten. Der Raum soll vom Hof aus auch als Kapellenraum erkennbar sein.
Schon lange war es der Traum, auch in Waldeck einen eigenen Raum für die Gefängnisseelsorge zu haben, so wie in der JVA Bützow. Aber es fehlte an Platz. Der Besucherraum musste jahrelang für die Gottesdienste genutzt werden, das hieß stets umräumen, schleppen, erzählt Pastor Martin Kühn. Dabei stand bereits 1996 im Vertrag Staat-Kirche, dass in der Justizvollzugsanstalt geeignete Räume für die Seelsorge zur Verfügung gestellt werden müssen.
Als dann das Raumkonzept in der JVA Waldeck geändert wurde, 2014 die Bibliothek umzog, wurde dieser Raum für die Gefängnisseelsorge frei.Das erste große Fest, das darin gefeiert wurde, war zu Weihnachten 2014, der Schweriner Bischof Andreas v. Maltzahn hielt damals die Predigt. Und seit dieser Zeit wird überlegt, den Raum künstlerisch zu gestalten.

Finanziert von den Kirchen

Die Holzbildhauerin Barbara Wetzel hat bereits Erfahrungen in der künstlerischen Arbeit mit Gefängnisinsassen. Zur Bundesgartenschau (BUGA) 2009 in Schwerin gestaltete sie mit Bützower Insassinnen ein Boot in der Tischlerei, in die Frauen sonst nicht herein dürfen. Es ist Konzept, den Gefangenen nicht ein fertiges Projekt zu bieten, sondern sie an der Gestaltung mitarbeiten zu lassen.
Hier in Waldeck erkennt man in den Arbeiten der Insassen viele Gitterstrukturen, geborsten, Zäune, aber auch Freiheitssymbole wie Vögel. Und Herzen.
Rund 30 000 Euro kostet das „Kapellenprojekt“ in der JVA, finanziert wird es von der evangelischen Nordkirche, der katholischen Kirche und dem katholischen Bonifaziuswerk sowie der Mecklenburgischen Stiftung „Kirche mit anderen“, die 10 000 Euro dafür bereitstellte. Die Endarbeiten will Barbara Wetzel in ihrer Werkstatt in Katelbogen bei Bützow ausführen. Soviel wie möglich will sie dabei von den Arbeiten der Gefangenen nutzen.
Die Einweihung des gestalteten Raums ist dann zu Weihnachten geplant, „ob wir den Termin halten können, ist aber noch nicht ganz klar“, schränkt Gefangenenseelsorger Martin Kühn ein.