Gutes tun

Über eine besondere Begegnung schreibt Rebecca Lenz. Sie ist Pastorin in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein).

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: "Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt?" aus Lukas 10, 40
Eben noch war es still – nur die Stimme Jesu füllte den Raum. Maria saß ihm zu Füßen und nahm jedes einzelne Wort in sich auf. Ließ sich jede Silbe auf der Zunge zergehen, schmeckte den Klang, den Sinn, den Klang, den Sinn… Langsam, Wort für Wort. 
Als die Tür aufgerissen wird. Mit einem Knall schlägt sie gegen die Wand.
Ein Schwall schwappt herein: der Rauch des Feuers, der Dampf der kochenden Linsen, bratendes Fleisch. Sie füllen den Raum, und sie füllt den Raum. Marta mit ihren ruhelosen Händen, ihrer Emsigkeit, ihrer Tüchtigkeit, ihrer Anklage, mit ihrer dröhnenden Stimme: „Herr, schau doch, meine Schwester! Sie lässt mich alleine arbeiten. Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!“
Stille. Jesus stellt sich vor Maria. Sagt: „Zur Zeit ist eines notwendig. Maria hat das gewählt, was für sie jetzt gut ist. Das soll ihr nicht genommen werden.“ Ende! Ende?
Soll das schon alles sein? Eine Schwester bekommt, was sie braucht. Doch was ist mit der anderen? Ich stelle mir vor, dass die Geschichte weitergeht: Mit einem Knall fällt die Tür wieder zu. Marta steht allein in der Küche. Rührt die Linsen mit rechts, dreht das Fleisch mit links, schiebt mit dem Fuß einen Scheit zurück ins Feuer, dreht sich im Kreis. Gedanken kreisen: Das ist ungerecht! Warum sieht keiner, was ich tue? Alle wollen doch satt werden. Mit Hunger kennt Marta sich aus. Sie weiß, wie man ihn stillt. 
Schmackhafte Speisen, köstlicher Wein – sie weiß, was Gäste brauchen. Das ist ihre Stärke. Sie will Jesus etwas Gutes tun. Ihm zeigen, was für ein besonderer Mensch er für sie ist. Marta wischt sich über die Augen. Als sie wieder aufsieht, ist sie nicht mehr allein. Jesus steht vor ihr. „Marta, Marta“, sagt er. „Zur Zeit ist eines notwendig. Was ist für dich jetzt gut?“ Marta schaut, blinzelt, dann packt sie den Löffel und rührt im Topf. „Dass das Essen fertig wird und alle satt und zufrieden sind. Dafür will ich sorgen.“ Jesus lächelt. „Marta, das ist gut. Jede hat ihr Teil. Deines soll dir niemand nehmen und keiner gering schätzen.“
Unsere Autorin
Rebecca Lenz
ist Pastorin der Kirchengemeinde Bad Segeberg (Schleswig-Holstein).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.