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Grandiose Renaissance-Schau im Diözesanmuseum Freising

Ausstellungen zur Renaissance gab es schon viele. Aber keine solche, wie sie nun auf dem Freisinger Domberg zu sehen ist. Davon sind Kunstkenner überzeugt.

Ein Feuerwerk an positiven Reaktionen hat diese neue Schau zur Renaissance im Diözesanmuseum Freising bereits entfacht. Ist doch den Verantwortlichen ein kleines Wunder gelungen. Bis 11. Januar sind 65 hochkarätige Leihgaben aus 27 italienischen Museen und Sammlungen zu sehen. Die Gemälde, Skulpturen, Reliefs und Kleinkunstwerke sollen den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit beleuchten. In dieser Phase des Umbruchs wird das Göttliche nahbar und das Menschliche gewinnt eine neue Tiefe.

Bedingt durch Fortschritte in Kunst, Kultur und Wissenschaft wurden völlig neue Bildwelten geschaffen. Auf einmal verschieben sich Grenzen: Der unerreichbare Gott wird menschlich, das Ich entdeckt sich selbst und fragt, wer es ist. Am Anfang dieser neuen Sicht auf Welt und Mensch steht eine wortgewaltige Dichtung von Dante Alighieri. In seiner “Göttlichen Komödie” unternimmt er im frühen 14. Jahrhundert eine Jenseitsreise durch Hölle und Fegefeuer ins Paradies. In Freising lässt sich diese in einer digitalen Fantasie-Bilderschau erleben.

Gleich im nächsten Raum leuchten zwei Madonnenbilder (um 1460) aus dem heiligen Goldgrund. In ihren Kleidersäumen sind lesbare Texte versteckt. Im einen Bild sind es keine Bibelzitate, sondern die Schlussverse von Dantes Dichtung. Im anderen findet sich ein Gedicht von Petrarca, dem anderen berühmten Dichter der Epoche, in dem dieser die Jungfrau Maria bittet, ihn von der irdischen Liebe zu der von ihm verehrten Laura zu “befreien”.

Noch im Mittelalter werden heilige Personen distanziert und überhöht dargestellt; in der Renaissance erwachsen Landschaft und natürliche Umgebung zu echten Erfahrungsräumen für das Individuum. Das hat auch mit einer geradezu revolutionären Entdeckung zu tun, nämlich der Zentralperspektive im Bild. Auf diese Weise wird das Göttliche in die Welt der Menschen geholt: durch eine detailgetreue Wiedergabe von Natur und Alltagsgegenständen. So füttert im Bild von Gerard David die Muttergottes das Jesuskind mit Milchbrei (um 1510).

Renaissance heißt auf französisch “Wiedergeburt”. Tatsächlich werden damals Kunst und Schriften der Antike wiederentdeckt. Auf einmal tauchen Liebe und Leidenschaft selbst in religiösen Bildern auf. Bestes Beispiel: Filippo Lippis “Thronende Muttergottes mit Kind und Heiligen” (1456). Beim Malen des Altarbilds verliebt sich der 50-jährige Ordensmann in eine junge Novizin, die ihm Modell stehen sollte für eine Heilige. Ihr Porträt taucht im Gemälde auf, das aber nicht vollendet wird. Stattdessen flieht der Maler mit seiner Geliebten aus dem Kloster.

Christus wiederum wird als der idealschöne junge Mann schlechthin gezeigt. Als “Erlöser” darf er im gleichnamigen Bild von Mantegna (1493) aber auch traurig und melancholisch aussehen – wie ein Mensch, der um sein späteres Schicksal weiß. Das macht ihn nahbar.

50 Prozent aller Kunstwerke der Renaissance zeigen der Statistik zufolge Maria. Sie wird zum Vorbild der idealen Mutter und zur fürsorglichen Erzieherin des menschgewordenen Gottes. Das Frauenbild von damals weist sie nicht nur als fromm, sondern auch als gebildet aus. In Verkündigungs-Darstellungen ist Maria oft in einem Studierzimmer zu sehen. Botticelli hält in seiner “Maria mit Kind” (1480) fest, wie diese dem noch kleinen Jesusknaben das Lesen beibringt.

Das anrührendste Kunstwerk hängt am Schluss: Giovanni Bellinis “Pietà, Toter Christus von Engeln gestützt” (um 1460). Der halb geschlossene Blick Christi erinnert eher an einen tiefen Schlaf als an den endgültigen Tod. Christus wird in einer stillen, fast vertraulichen Weise gezeigt. Alle Bildelemente laden zu Mitgefühl am Schmerz des Erlösers ein.

Obwohl alle diese Werke eher meditativ wirken, geht von ihnen eine große Kraft aus. Mit ihnen können die Objekte der parallel gezeigten zwei Ausstellungen – die großformatigen Tafeln “Imagine all the Pieces” der Münchner Künstlerin Judith Milberg und die 200 Jahre alten Veduten “Fenster in die Landschaft” von Valentin Gapnigg – dann doch nicht mithalten.