Gottesdienst mit Gruselfaktor

Bei vielen Familien hat der Reformationstag wenig Chancen. Denn am gleichen Tag ist Halloween. Diese Vorliebe macht sich eine Hamburger Gemeinde zunutze – und veranstaltet eine „Gruselkirche“.

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Hamburg. Nebelschwaden wabern durch das Kirchengewölbe, das Licht flackert, Spinnenweben hängen von den Wänden und die Orgel spielt eine düstere Musik: Am Sonnabend, 31. Oktober, soll sich die St.-Paulus-Kirche in Heimfeld in eine „Gruselkirche“ verwandeln. Denn die Gemeinde Harburg-Mitte veranstaltet einen Gottesdienst, in dem sie Halloween-Bräuche aufgreift. Er richtet sich besonders an Kinder und Familien.

Einerseits geht es um die Geschichte und die Bedeutung von Halloween, und die Besucher sollen sich ein bisschen gruseln dürfen. Anderseits wird Martin Luther auftreten, den Gottesdienstbesuchern von einem erschreckenden Erlebnis aus seinem Leben erzählen und schildern, was ihm geholfen hat, die Angst zu überwinden. Es geht also darum: Wovor gruseln wir uns, wovor haben wir Angst und wie kann man sie überwinden, fasst Anne Arnholz, Pastorin in Harburg-Mitte, es zusammen.

Die Ängste vor Gott bringen

Die Besucher können ihre eigenen Ängste auf Karten schreiben und in die Fürbitte einbringen, denn der erste Schritt ist, sich seine Angst bewusst zu machen und es im Gebet Gott zu sagen, erklärt Arnholz. „Ich glaube, wenn man Ängste erst mal erkannt hat und ausspricht, werden sie kleiner“, sagt sie.

Pastorin Anne Arnholz
Pastorin Anne ArnholzMarieke Lohse

Halloween wurde ursprünglich in Irland begangen, verbreitete sich durch irische Einwanderer in den USA und Kanada und kam von dort erst in den vergangenen Jahren auch nach Deutschland. Mit Kürbisfratzen, Verkleidungen und allerlei Gruselartikeln ist es für die Wirtschaft deutlich verwertbarer als der symbol­arme, erklärungsbedürftige Reformationstag, mit dem es auf den gleichen Tag fällt.

In der Geschichte von Halloween vermischen sich keltische und christliche Überlieferungen, die sich nicht mehr klar trennen lassen. Ob die Kelten tatsächlich glaubten, dass in dieser Nacht die Toten zurückkehren, ist unklar. Für die Neuzeit sind Wahrsagerei und abergläubische Bräuche belegt, ebenso wie Umzüge in Verkleidung und Kinderspäße. Das Wort Halloween bezieht sich auf den Abend vor dem katholischen Feiertag Allerheiligen am 1. November.

Verkleidung erwünscht

Halloween im Gottesdienst? Das geht, sagt Anne Arnholz: „Weil es in der Kirche auch immer um Gefühle geht und wie wir mit unseren Gefühlen umgehen und solche Gefühle gehören eben auch zum Leben dazu.“ Auch Spaß dürfe man in der Kirche haben­.

Die fusionierte Kirchengemeinde Harburg-Mitte verfügt über drei Kirchen, der Gottesdienst mit Gruselfaktor am Reformationstag findet in der St.-Paulus-Kirche statt, einem neugotischen Bau aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Auch die Besucher sollen dort ihren Teil zum Gruselerlebnis beitragen. Denn Verkleidung ist Pflicht. Hexen, Monster, Werwölfe und Skelette sollen in den Kirchenbänken sitzen. Die Pastorin wird sich ebenfalls verkleiden, weiß aber noch nicht, als was.

Kein erhobener Zeigefinger

„Wir machen kein Kontrastprogramm zu Halloween“, sagt Arnholz. „Wir stellen uns nicht mit erhobenem Zeigefinger hin und sagen: Das finden wir ziemlich schlecht und vom Teufel. Das finden wir nämlich gar nicht.“ Vielmehr wolle man das aufgreifen, was den Kindern und den Familien Spaß mache und die christlichen Inhalte dazu beitragen. „Wir wollen nicht belehren, sondern wir wollen das Miteinander in Einklang bringen und eine Aktion daraus machen, die hoffentlich allen Spaß bringt“, sagt Annne Arnholz.

WAS: Gruselkirche am Reformationstag
WANN: am Sonnabend, 31. Oktober, um 18 Uhr
WO: in der ­St.-Paulus-Kirche, Alter Postweg 46, Hamburg