Gottes große Gnade

Über menschliche Schwäche und Vergebung schreibt Carsten Krabbes. Der Pastor koordiniert die Chatseelsorge der Landeskirche Hannovers.

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Der Predigttext des kommenden Sonntags lautet: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Hesekiel 34, 2

Miserikordias Domini in aeternum cantabo. Die Barmherzigkeit des Herrn will ich ewiglich besingen. Dieser Vers aus Psalm 89 verlieh dem zweiten Sonntag nach Ostern kirchlich einen seiner Namen, denn überdies ist er auch noch als „Hirtensonntag“ bekannt. Die ihm zugeordneten biblischen Texte spiegeln ebendieses „pastorale“ Bild wider. Im aktuellen Predigttext aus dem Buch des Propheten Hesekiel etwa steht zu lesen: „Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen sie nicht die Herde weiden?“ Eine frühbiblische Warnung vor Selbstherrlichkeit und Arroganz, vor gierig-narzistischer Versuchung im Hirten- und lateinisch Pastorenamt.

Wir Geistlichen und Seelsorgenden sollten uns das geflissentlich hinter die Ohren schreiben! Es geht nicht, zumindest nicht primär, um uns selbst, sondern um die Menschen, die uns anvertraut sind. Jesus Christus kam nicht, sich dienen zu lassen; sondern er kam, um zu dienen. Dieses Wort mag uns zwar nicht akut unter den Nägeln brennen – in diesen Krisentagen einer ätzenden Pandemie und dramatischen Zahl von Kirchenaustritten liegen Berufsethos und -verantwortung nicht gerade obenauf.

Ein Licht kann aufscheinen

Und doch denke ich an manch menschliche Schwäche, die sich aktuell offenbart: vom Maskenprofiteur und Impfdrängler im politischen Amt und im Dienst an und für Andere bis hin zum Zaudern und Zögern in der eigentlich dringend gebotenen Aufklärung sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Räumen. Des Herrn Barmherzigkeit, von der wir nun festlich singen möchten, ist mitunter arg verdunkelt und verborgen, wenn wir offen und kritisch unser eigenes Tun und Lassen reflektieren. Wir machen uns nicht immer gut als Gottes Bodenpersonal. Wichtig, das wahrzunehmen und anzuerkennen.

Aus Reue kann und wird dann aber ein Licht aufscheinen, das wahrhaft österlich anmutet: Es macht Umkehr sichtbar, lässt Vergebung erkennen und am Ende Gottes große Gnade erstrahlen.

Unser Autor
Carsten Krabbes ist Pastor und koordiniert die Chatseelsorge der Landeskirche Hannovers.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Dienstag.