Gott nimmt keine Spielsachen weg

Über die Geschwisterliebe unter Kindern schreibt Birge-Dorothea Pelz. Sie beginnt im September ihr Vikariat in der Nordkirche.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.“ aus Johannes 4, 16b-21
„Alles muss klein beginnen“, singt der ostdeutsche Liedermacher Gerhard Schöne. Alles, auch die Feindesliebe. Erstes Versuchskaninchen auf dem Weg zum Universalliebenden: der Bruder, die Schwester.
Aus dem Kinderzimmer ertönt wütendes Gebrüll. Die Geschwister streiten heftig miteinander. Innerhalb weniger Sekunden wird das ganze Repertoire an Schimpftiraden aufgefahren: „Du bist doof. Jetzt bin ich nie wieder dein Freund, und ich spiele auch nie wieder mit dir.“ Nähe schafft Reibung, begünstigt Streit. Sind die Kinder voneinander getrennt, vermissen sie sich. Der unsichtbare Bruder wird inniglich geliebt, die Schwester im selben Zimmer bekommt einen Teddy an den Kopf geschmissen. Liebevoller Umgang ist bei Weitem kein Grundverhalten kleiner Menschen.
Liebe bedeutet, sich in den Anderen hineinzuversetzen, zu merken, dass das Gegenüber genauso ein Mensch ist wie ich selbst. Der Macht des Stärkeren setzt sie Kommunikation und Kompromisse entgegen: „Wollen wir teilen? Erst du, dann ich?“ Das muss erlebt, gelernt und eingeübt werden.
Babys und Kleinkindern ist das noch fremd. Wenn ihnen etwas nicht passt, dann hauen, beißen, kratzen, schreien sie. Oder wie es im 1. Buch Mose 8, 21 heißt: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Nicht Pessimismus, sondern Realismus spiegelt diese Sicht wider. Ein Kind will sich behaupten. Es hasst nicht, sondern es lebt so, als ob es der einzige Mensch auf Erden wäre.
Gott nimmt keine Spielsachen weg, konkurriert auch nicht um die Aufmerksamkeit der Eltern. Ihn zu lieben hat keinerlei Konsequenzen für die Macht im Kinderzimmer. Er wehrt sich nicht, petzt nicht.
Gott so zu lieben ist leicht, weil irrelevant. Irrelevante Liebe jedoch ist eine Lüge. Denn echte Liebe ist nie belanglos. Sie will mit dem Bruder teilen, sich mit der Schwester versöhnen. Sie trachtet nach spürbarer Nähe. Solche Menschenliebe ist personifizierte Gottesliebe.
Unsere Autorin
Birge-Dorothea Pelz
beginnt im September ihr Vikariat in der Nordkirche.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.