Fremde Welt

Auf der Straße findet Sophie „Das Adressbuch“, das einem Pierre D. gehört. Sie will sich ein Bild von ihm machen – indem sie Menschen aus der Liste um ein Gespräch bittet.

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Das Adressbuch, das Sophie Calle im Jahr 1983 auf der Straße findet, kommt daher wie ein Freund aus längst vergangenen Tagen, lange vor der Zeit des allwissenden Internets. Sie nimmt es mit, kopiert die Seiten daraus und sendet es anonym an seinen Besitzer, Pierre D., zurück. „Er ist ein Künstler, kein Wunder, dass er sein Adressbuch verloren hat“, wird Marianne B. später über D. zu berichten wissen.

Calle ist eine Künstlerin, in deren Lebensmittelpunkt die drei großen Themen der Welt stehen: Leben, Liebe und Tod. Ihnen jagt sie in oft spielerischer Art hinterher und begeht dabei manchen Tabubruch. Mit geradezu detektivischer Akribie nähert sie sich dabei ihrem Lieblingsobjekt: dem fremden Menschen gleichermaßen wie sich selbst.

Tagebuch des Eindringens

Sie möchte D. kennenlernen, nicht persönlich, nur als imaginäres Bild. Sie ruft Menschen aus dem Adressbuch an und bittet sie um ein Gespräch, will sich über diesen Umweg D. nähern. Die Reaktionen sind unterschiedlich, von „Marc O. weiß nicht, wer Pierre D. ist“ über „Er ist ein Gourmand“ (Anne E.) hin zu „Er ist einer der verrücktesten Menschen, die ich kenne. Entspannt in seiner Verrücktheit, gut eingerichtet in seiner Einsamkeit. Rätselhaft“ (Sylvie B.).

Am Ende veröffentlicht sie in einer Zeitung 28 Texte über Pierre D., die zum Tagebuch ihres Eindringens in eine fremde und für sie unerlaubte Welt werden. Von Tag zu Tag entwickelt sich das Bild eines Mannes, der wie eine „Wolke in Hosen“ ist.

Sophie Calle: Das Adressbuch.
Suhrkamp Verlag 2019.

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