Beim neuen Wehrdienst könnte das Los eine Rolle spielen. Keine gute Idee, erklärt der Freiburger Philosoph Andreas Urs Sommer. Sie sei vielmehr grenzwertig.
Der Freiburger Philosoph Andreas Urs Sommer lehnt das diskutierte Losverfahren bei der Einberufung zum Wehrdienst ab. “Ich habe große Zweifel, ob in einer so existenziellen Frage – letztlich der nach Leben und Tod – mit einer Lotterie Gerechtigkeit und Akzeptanz erreicht werden kann”, sagte Sommer am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. Er halte die Idee für grenzwertig.
“Das Los würde entscheiden, ob ich als potenzieller Soldat gemustert werde. Und die Verpflichtung des Soldaten und der Soldatin ist es, im Ernstfall mit dem eigenen Leben einzustehen.” Auch wenn die ausgelosten Personen den Militärdienst verweigern können, ändere das nichts an den potenziell tödlichen Folgen des Losentscheids.
Sommer rechnet mit einer breiten, anhaltenden Ablehnung der Bürger gegen eine solche Verlosung. “Natürlich kann niemand genaue Prognosen geben, wie die Menschen in der Praxis reagieren würden. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrheit ein solches Losverfahren, bei dem der Ausgeloste sehr weitreichende persönliche Folgen zu befürchten hat, akzeptieren wird.” Auf Social Media gebe es bereits heftige Kritik an den Plänen, sagte der Wissenschaftler. “Auch wenn das vielleicht nicht repräsentativ ist.”
Zufallsentscheidungen träfen nur dann auf breite Akzeptanz, wenn ein positiver Gewinn locke, sagte Sommer. “Eine potenzielle Einberufung zur Bundeswehr ist dann aber doch etwas anderes als ein Millionengewinn in der Lotterie. Und ich glaube nicht, dass es dem Verteidigungsministerium gelingen wird, eine Musterung oder Einberufung als Glücksfall zu verkaufen.”
Sommer sprach sich dafür aus, den aktuellen politischen Streit um ein mögliches Losverfahren und den Wehrdienst als Chance zu sehen, sich über eine allgemeine Dienstpflicht für alle zu verständigen. “Jetzt ist die richtige Gelegenheit, über die Einführung eines allgemeinen Dienstes für alle nachzudenken und diesen Dienst konkret umzusetzen. Wer mag: an der Waffe. Wer das nicht will: im Krankenhaus, im Pflegeheim oder in der Kita.”
Wichtig sei dabei, nicht nur die 18- oder 19-Jährigen in die Pflicht zu nehmen, forderte Sommer. “Man kann ein solches Dienstjahr auch mit 25, 55 oder 65 Jahren machen. Jeder und jede sollte einmal im Leben ein Jahr für die Gemeinschaft leisten.”
Allerdings sei zu befürchten, so der Wissenschaftler weiter, dass die Bundesregierung derzeit wohl kaum zu einem solchen größeren Wurf in der Lage sei.
Sommer lehrt an der Universität Freiburg Philosophie. Der Schweizer ist Nietzsche-Experte. Und Befürworter einer direkter organisierten Demokratie.