„Frauen und Reformation“ – Ehrenamtliche gestalten Ausstellung

Kiel/Hamburg. „Frauen und Reformation“ heißt die Wanderausstellung, die die Nordkirche momentan vorbereitet. Noch werden Mitstreiter gesucht.

Amalie Sieveking
Amalie Sieveking

Von Silke Nora Kehl
Kiel/Hamburg. Es war eine Frau, die gegen die Verbrennung des reformatorischen Predigers Heinrich von Zütphen protestierte. Im Dezember des Jahres 1524 stellte sich die Dithmarscherin Wibe Junge der aufgebrachten Menge vor dem Scheiterhaufen entgegen.
Von Zütphen war Anhänger und Prediger der Reformation – und wurde deshalb als Ketzer verfolgt. Unterstützt von dem Meldorfer Pfarrer Nikolaus Boie kam er in dessen Gemeinde und predigte dort die Lehre Martin Luthers. „Mit grossen Freuden“ soll Wibe Junge den Prediger empfangen haben. Der Überlieferung nach war die gebildete und vermögende Frau von den Ideen der Reformation überzeugt und schrieb sich Briefe mit Luther.
Doch die konservativen Kräfte versuchten, die Ausbreitung der Reformation in Dithmarschen zu verhindern: Der Prior des Klosters Torneboch ließ von Zütphen hinrichten. Wibe Junge versuchte vergeblich, den Prediger zu retten. Vor dem bereits errichteten Scheiterhaufen bot sie 1000 Gulden dafür, ihn vor das Gericht der Landesversammlung zu bringen. Die Reaktion der Menge ist in einer Dithmarscher Chronik überliefert: „Da sie das hörten, wurden sie rasend und unsinnig und schlugen die Frau zu Boden und traten sie mit Füßen, und schlugen den guten Märtyrer Christi mit aller Gewalt.“

Bislang Männer im Fokus

Wibe Junge ist eine von 20 Frauen, deren Biografien in der neuen Wanderausstellung „Frauen und Reformation“ präsentiert werden. „Bislang standen vor allem die berühmten männlichen Reformatoren im Zentrum der Geschichtsschreibung und auch der Projekte der Lutherdekade“, sagt Ausstellungskuratorin Kerstin Klein vom Frauenwerk der Nordkirche. Mit der Ausstellung, die im Februar 2016 eröffnet wird, soll sich das ändern. „Aus jedem der 13 Kirchenkreise der Nordkirche wird mindestens eine Frau vorgestellt, die reformatorisch tätig war“, erklärt Klein.
Dabei werde Reformation nicht als punktuelles Ereignis gesehen, sondern als andauernder Prozess. Es werden daher Frauen aus fünf Jahrhunderten vorgestellt, die sich für den Protestantismus eingesetzt haben – darunter Diakoniegründerinnen, Mäzeninnen, Theologinnen und Ehrenamtlerinnen in der politischen Kampagnenarbeit. Ein Porträt widmet sich der ersten Pastorin Deutschlands: Elisabeth Haseloff, die 1958 von der Lübecker Landeskirche ordiniert wurde.
Als Beispiel für diakonisches Wirken in Hamburg wird Amalie Sieveking vorgestellt. Als 1831 eine Cholera-Epidemie in der Hansestadt ausbrach, ließ sie einen „Aufruf an christliche Seelen“ veröffentlichen: Sie suchte Mithelferinnen für die Pflege der Kranken, allerdings erfolglos. Also ging Sieveking allein als Pflegerin ins Krankenhaus – trotz der hohen Ansteckungsgefahr und trotz der Skepsis der Ärzte sowie der Hamburger Öffentlichkeit. Sie kam dort mit den Lebensbedingungen der verarmten Bevölkerung in Kontakt, etwa den katastrophalen Wohnverhältnissen. 1832, ein Jahr vor Gründung des „Rauhen Hauses“, durch Wichern rief sie den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“ ins Leben.
Sieveking ist eine der bekanntesten Frauen in der Ausstellung. „Wir haben auch ganz tolle Entdeckungen gemacht und sind auf das Wirken bisher unbekannter Frauen gestoßen“, berichtet Klein. Weil die Reformation eine Laienbewegung war, habe das Frauenwerk Menschen aus der gesamten Nordkirche zur Beteiligung an der Ausstellung aufgerufen. Dieses Experiment hätte auch schiefgehen können, meint Klein. „Aber wir waren ganz begeistert, wie intensiv in den Kirchenkreisen geforscht wurde.“ Etwa 60 Biografien wurden zusammengetragen, 20 davon sind in der Ausstellung zu sehen. Eine Auswahl aus den 40 weiteren Porträts wird online gestellt.

Info

Die nordkirchenweite Wanderausstellung wird am 2. Februar 2016 im Landeshaus Kiel eröffnet.