Feministische Außen- und Entwicklungspolitik im Kabinett vorgestellt

Stärker an Rechten von Frauen sollen sich künftig die Außen- und Entwicklungspolitik der Bundesrepublik orientieren. Für Außenministerin Baerbock ist das „eine Selbstverständlichkeit“.

Außenministern Annalena Baerbock (li.) und Enwicklungsministerin Svenja Schulze stellten gemeinsam das Konzept vor
Außenministern Annalena Baerbock (li.) und Enwicklungsministerin Svenja Schulze stellten gemeinsam das Konzept vorImago / Fotostand

Die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik soll künftig stärker die Rechte und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in den Blick nehmen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) stellten in Berlin ihre Konzepte dafür im Bundeskabinett vor. „Wir rufen nicht eine Revolution aus, sondern wir tun eine Selbstverständlichkeit“, sagte Baerbock. Es werde umgesetzt, was im Grundgesetz und der Erklärung der Menschenrechte stehe. Schulze ergänzte, bei der Bekämpfung von Hunger, Armut und Ungerechtigkeit könne man „auf die Hälfte des Potenzials, nämlich die Frauen, nicht verzichten“.

Die feministische Außen- und Entwicklungspolitik zielt darauf, weltweit die Vormachtstellung von Männern zu überwinden und zu echter Gleichberechtigung zu kommen. Gestärkt werden sollen Frauen und Mädchen, weil sie der größte diskriminierte Teil der Weltbevölkerung sind, aber auch vielfach verfolgte Gruppen wie Urvölker oder auch homosexuelle und transidente Menschen.

Zugang zu Bildung

Baerbock betonte: „Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher.“ Wahr sei aber auch: „Wo Frauen sicher sind, dort sind wir alle sicherer.“ Auch Friedensverträge seien stabiler, wenn sie von Frauen mitgeschrieben seien, fügte sie hinzu. Den Leitlinien der Ministerin zufolge sollen Frauen auch stärker in Friedensprozesse eingebunden werden. Dieses Ansinnen war bereits in der im Jahr 2000 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1325 enthalten, doch an der Umsetzung hapert es.

Schulzes Strategie zur Entwicklungspolitik zielt darauf ab, Frauen und marginalisierte Gruppen stärker zu repräsentieren und ihnen Zugang zu Bildung, sozialer Sicherung, Gesundheitsdiensten sowie menschenwürdiger Arbeit zu ermöglichen. Bei der geplanten Absicherung für arme Menschen gegen Klimarisiken sollten wiederum Alter, Geschlechtsidentität, Behinderungen und rechtlicher Status berücksichtigt werden. Indigene Völker und lokale Gemeinschaften will das Ministerium gezielt stärken.

Dafür sollen bis 2025 insgesamt 93 Prozent neu zugesagter Projektmittel „in Vorhaben fließen, die die Gleichstellung voranbringen“. Im Jahr 2021 seien es etwa 64 Prozent gewesen. Ein „Gender-Aktionsplan“ mit konkreten Themenschwerpunkten soll im zweiten Halbjahr dieses Jahres veröffentlicht werden.

Was Hilfswerke sagen

Hilfswerke und Entwicklungsorganisationen begrüßten die feministischen Strategien. „Aus unserer weltweiten Arbeit wissen wir, dass Hilfsprojekte dann besonders erfolgreich sind, wenn sie aus der Perspektive von Frauen gestaltet sind und Frauen in den Blick nehmen“, sagte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Dann profitieren ihre Familien, Gemeinden und die ganze Gesellschaft.“ Pruin betonte, dass die Zivilgesellschaft, auch aus dem Globalen Süden, an der Erarbeitung der Strategie beteiligt worden sei. Dieser Dialog müsse „intensiv fortgesetzt“ werden.

Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, warnte indes vor einer Politisierung humanitärer Hilfe. Denn diese „richtet sich einzig nach dem Maß der Not“. Er fügte hinzu, „Länder, in denen die Rechte von Frauen eingeschränkt oder missachtet werden, dürfen und müssen dafür kritisiert werden. Doch diese Kritik darf nicht durch gekürzte Hilfsgelder zum Ausdruck kommen. Sonst gefährdet sie Menschenleben.“

Die Welthungerhilfe wies darauf hin, dass weltweit 828 Millionen Menschen hungerten. „In allen Weltregionen sind es mehr Frauen als Männer, die hungern“, erklärte die Leiterin der Abteilung Politik und Außenbeziehungen, Asja Hanano. Hunger lasse sich nicht beseitigen, ohne soziale Ungleichheit zu lösen. Allerdings bleibe die Frage der Finanzierung offen.