Schulnoten, Mobbing, Liebeskummer – die Liste der Sorgen und Nöte von Kindern und Jugendlichen kann lang sein. Einige schütten ihr Herz bei Eltern oder Freunden aus, andere haben niemanden, mit dem sie reden können. Kriminelle Cybergroomer wissen das – und nutzen es für ihre Zwecke aus.
Mit Sätzen wie „Erzähl’ doch mal, ich hör’ dir zu!“ nähern sich die Täter im Internet unter falschem Namen Minderjährigen an. Viele täuschen dabei ein ähnliches Alter und gleiche Hobbys vor. Ihr junges Gegenüber ahnt nicht, dass es belogen wird, im Gegenteil: Viele seien froh, dass sie „endlich einmal Gehör finden“, sagt Julia Kühl, die beim Landeskriminalamt Hamburg im Bereich Kriminalprävention tätig ist. Dass die Kontaktaufnahme der Cybergroomer sexuell motiviert ist, ahnen die Opfer erst recht nicht.
Das Wort „Cybergrooming“ setzt sich aus zwei englischen Wortteilen zusammen: „Cyber“ steht für die Online-Welt, „Grooming“ bedeutet „Striegeln“, was für das subtile Annähern der Täter an ihre Opfer steht.
Erst später, nach diesem Annähern, fordern die Täter von ihren Opfern intime Aufnahmen. Viele kommen diesem Wunsch nach. Einmal, nochmal, immer wieder.
„Die Aufnahmen steigern sich dann häufig immer weiter in der Freizügigkeit und der Täter sammelt so mit der Zeit immer mehr und anzüglicheres Material“, sagt Kühl. Das Opfer werde so immer abhängiger. „Es bekommt Angst, der Täter könnte die Bilder oder Videos an andere weiterschicken, wofür sich das Kind dann schämen würde.“ Zugleich bekomme es Angst, sich jemandem anzuvertrauen. Im Extremfall fordere der Täter ein Treffen in Präsenz.
Einer Befragung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM NRW) zufolge haben fast ein Viertel der Minderjährigen (24 Prozent) in sozialen Medien oder Online-Games bereits Cybergrooming erlebt. Bei den unter 14-Jährigen seien 16 Prozent der Befragten betroffen.
Das Bundeskriminalamt informiert, dass Cybergrooming in Deutschland nach Paragraph 176 des Strafgesetzbuches verboten ist. Etwa 95 Prozent der Täter sind nach Kühls Angaben männlich.
Der Direktor der Landesmedienanstalt NRW, Tobias Schmid, sieht in der Schule den richtigen Ort, Minderjährige für die Gefahr von Cybergrooming zu sensibilisieren. Nur dort ließen sich wirklich alle Kinder und Jugendlichen erreichen.
„Die Botschaft an Kinder und Jugendliche ist klar: Wenn ihr merkt, dass euer Chatpartner eure Grenzen überschreitet, dann beendet den Chat, blockiert das Profil oder die Nummer und haltet euch von ihm fern“, rät Schmid. Wer Cybergrooming melden und zur Anzeige bringen wolle, könne das bei der LfM NRW unter www.fragzebra.de/cybergrooming tun.
Mehrere Landesmedienanstalten, darunter die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), zertifizieren Schulen zu sogenannten Internet-ABC-Schulen. „Ziel des Projekts ist es, die Förderung der Medienkompetenz systematisch in den Grundschulunterricht zu verankern“, sagt Simone Bielfeld, die bei der MA HSH im Veranstaltungsmanagement tätig ist. Bausteine der Internet-ABC-Schulen seien „verbindliche Fortbildungen für Lehrkräfte, informative Elternabende zum Thema Medienerziehung und vor allem das Heranführen der Kinder an den kompetenten Umgang mit dem Internet“.
Die Online-Plattform Internet-ABC finden Interessierte unter www.internet-abc.de – sie ist laut Bielfeld eine Anlaufstelle für Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Das Thema Cybergrooming werde dort intensiv aufgegriffen.
Kühl rät Eltern, stets ein offenes Ohr für ihre Kinder zu haben. Der Nachwuchs müsse wissen: „Wenn ich ein Problem habe oder wenn in der Onlinewelt etwas nicht richtig läuft, dann sind meine Eltern für mich der erste Ansprechpartner.“ Weil viele Minderjährige mit ihnen nur ungern über Themen aus dem Bereich Sexualität sprächen, sollten Eltern zudem auf Beratungsstellen wie die „Nummer gegen Kummer“ 116 111 oder das „Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch“ unter 0800/22 55 530 hinweisen.