Ein Hinweis auf die Telefonseelsorge rechtfertigt keine problematischen Inhalte: Expertinnen fordern mehr Sensibilität, wenn es im Netz um Suizid geht. Zudem werben sie für mehr Aufklärung über psychische Erkrankungen.
Suizid wird mitunter romantisiert oder verharmlost: Wegen solcher Inhalte üben Fachleute verstärkt Kritik an Sozialen Medien. “Das ist mitunter wirklich gruselig”, sagte Heike Friedewald, Sprecherin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, am Mittwochabend. Zu Jahresbeginn hatte eine französische Familie die Plattform Tiktok verklagt, nachdem eine Teenagerin sich selbst getötet hatte.
Durch das Internet stünden Informationen auch in diesem Zusammenhang leichter zur Verfügung, fügte Ines Keita hinzu, Psychologin und stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung. Studien hätten bereits gezeigt, dass verstärkte Suchen nach bestimmten Suizidmethoden mit einem Anstieg von deren tatsächlicher Anwendung einhergingen. Um so wichtiger sei es, Methoden oder Orte nicht zu erwähnen, wenn Medien beispielsweise über den Suizid einer prominenten Person berichteten. Dies betreffe auch die Debatte um assistierten Suizid: Eine Selbsttötung als nachvollziehbar oder als “letzten Ausweg” darzustellen, sei immer problematisch.
Ebenso bewerten die Expertinnen eine Romantisierung psychischer Erkrankungen in Sozialen Medien kritisch. “Sie kann dazu führen, dass nicht die Behandlung in Anspruch genommen wird, die notwendig wäre”, sagte Keita. Der Hauptrisikofaktor für Suizidgedanken und entsprechende Handlungen seien Depressionen. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO versterben 8 Prozent der Menschen mit Depressionen durch Selbsttötung, bis zu 15 Prozent unternehmen demnach einen Versuch dazu.
Sie beobachte verstärkt, dass am Ende von Artikeln oder TV-Beiträgen auf Hilfsangebote hingewiesen werde, sagte Friedewald. Einerseits habe sich also zuletzt viel getan – andererseits entbinde dieser Hinweis nicht von verantwortungsvoller Berichterstattung. “Sinnvoll ist es, in Zweifelsfällen mit Expertinnen und Experten zu sprechen und Hintergründe zu Erkrankungen wie Depressionen zu nennen.” Erste Anlaufstellen für Betroffene könnten Hausarzt oder Hausärztin sein; in akuten – auch psychischen – Notfällen sei es immer möglich, die 112 zu wählen.