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Experte: Bei Rückenschmerzen muss der Alltag beleuchtet werden

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Leiden hierzulande, und nicht selten werden sie chronisch. Das muss nicht sein, sagt ein Forscher, der den Alltag von Betroffenen in den Fokus rückt – und neue Einblicke bietet.

Eine Veränderung am Knie oder an der Hüfte kann die Ursache für Rückenschmerzen sein: Das sagte Charité-Professor Hendrik Schmidt am Donnerstag beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim. Um solche Zusammenhänge zu erkennen, sei die bisherige Diagnostik aber nicht dynamisch genug – sie müsse individueller und über längere Zeiträume erfolgen.

Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung leidet laut Schmidt jährlich an Rückenschmerzen; ein Fünftel der Betroffenen entwickelt chronische Beschwerden. Während die Standarddiagnostik nur in 10 bis 15 Prozent der Fälle die eigentliche Ursache erkenne, könnten Alltagsanalysen für Klarheit sorgen. Dies hätten Forschungsgruppen über Sensoren nachgewiesen, die etwa auf den Rücken geklebt wurden und ähnlich wie ein Langzeit-EKG anhaltende Messungen durchgeführt hätten.

Schmidt leitet die entsprechende Forschung am Berlin Institute of Health. Sie habe auch gezeigt, dass Bandscheibenvorfälle oder Muskelverfettung oft mit einer Chronifizierung von Rückenschmerzen zusammenhänge, die sich vermeiden ließe. Ebenso sei die Psyche essenziell für die Rückengesundheit.

Die Bewegungen der Wirbelsäule verliefen nicht rein mechanisch: “Wahrnehmung, Emotionen und Motivation spielen dabei eine entscheidende Rolle – psychosoziale Prozesse beeinflussen die Mechanik des Körpers, und umgekehrt”, erklärte der Experte. Dies könnten 24-Stunden-Bewegungsanalysen abbilden. Analysen über zwei Wochen zeigten zudem, dass sich die Schmerzwahrnehmung durch bewegungsbezogene Ängste häufig verstärke. Eine gezieltere Diagnostik könne dabei helfen, sinnvolle Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Insgesamt leiden hierzulande laut Deutscher Schmerzgesellschaft rund 23 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen; das entspricht einem guten Viertel der Bevölkerung (28 Prozent). Davon sind 6 Millionen Menschen im Alltag stark eingeschränkt und 3,4 Millionen gelten als schwer schmerzkrank. Der Deutsche Schmerzkongress läuft noch bis Samstag.