Für viele europäische Regierungen wächst der Druck, entschlossener gegen Migranten ohne Bleiberecht vorzugehen. Die Kommission in Brüssel legt einen Verordnungsentwurf vor, der Hilfe bieten soll.
Die EU-Kommission will abgelehnte Asylbewerber schneller und in größerer Zahl abschieben. Ihren Vorschlag für eine Rückführungsverordnung stellten Migrationskommissar Magnus Brunner und Sicherheitskommissarin Henna Virkkunen am Dienstag in Straßburg vor. Nach ihren Worten soll das geplante Gesetz eine Lücke im europäischen Asylsystem schließen und dessen Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Erklärtes Ziel der Brüsseler Behörde ist, die Rückführungsquote bei Personen ohne Bleiberecht von derzeit 21 Prozent deutlich zu erhöhen.
Nach der geplanten Verordnung soll ein Abschiebungsbescheid eines EU-Staat auch von allen anderen Mitgliedstaaten ohne nochmalige Prüfung umgesetzt werden können. Eine Zwangsrückführung wird für solche Personen vorgeschrieben, die nicht mit den Behörden kooperieren, indem sie sich zum Beispiel in ein anderes EU-Land absetzen oder Fristen für eine freiwillige Ausreise verstreichen lassen, oder die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Mitgliedstaaten werden mit stärkeren Mitteln ausgestattet, um ein Untertauchen zu verhindern, etwa Meldeauflagen, das Erheben einer Kaution oder eine verlängerte Haftdauer bei Fluchtgefahr.
Als weiteren Punkt schlägt die EU-Kommission sogenannte Rückführungszentren vor. Sie sollen mit bilateralen oder auf EU-Ebene geschlossenen Verträgen in Ländern außerhalb der EU eingerichtet werden und abgeschobene Asylbewerber übergangsweise aufnehmen. Der österreichische EU-Kommissar Brunner betonte, es handle sich um etwas anderes als das britische Ruanda-Modell oder das Abkommen zwischen Italien und Albanien: Während Großbritannien und Italien die Asylverfahren dorthin auslagern wollten, seien die Rückführungszentren für Personen gedacht, deren Asylgesuch schon definitiv abgelehnt worden sei. Virkkunen äußerte die Erwartung, solche Zentren in Drittstaaten könnten einen Anreiz für eine freiwillige Rückkehr schaffen.
Einen Vergleich mit der Abschiebepolitik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump wies Virkkunen zurück. Sie verwies etwa auf Informationsrechte und Rechtsbeistand für die Abgeschobenen sowie Angebote zu Beratung und Hilfe bei der Reintegration ins Heimatland. Beide Kommissare versicherten, Abschiebezentren werde es nur in Ländern geben, die internationale Standards und Grundsätze bei den Menschenrechten einhielten. Nach dem Kommissionsentwurf sollen auch Familien mit Minderjährigen von der Zwangsüberstellung in solche Zentren ausgeschlossen sein.
Brunner sagte, eine effektive Abschiebepraxis sei auch wichtig, um die Freizügigkeit in einer EU ohne Binnengrenzen zu wahren. Ein europäisches Rückführungssystem werde “das Vertrauen in unser gemeinsames europäisches Asyl- und Migrationssystem deutlich stärken”. Insbesondere Personen ohne Bleiberecht, die ein Sicherheitsrisiko seien, dürften sich nicht frei auf den Straßen bewegen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission. Über Einzelheiten werde man “intensiv und konstruktiv beraten”, erklärte Faeser in Berlin. Aus deutscher Sicht müssten Rückführungsentscheidungen einfacher und schneller vollzogen werden. “Wir brauchen ein effektives Rückkehrsystem auf europäischer Ebene. Dabei muss ein Schwerpunkt auf umfassenden Pflichten von Ausreisepflichtigen und Sanktionen im Fall ihrer Verletzung liegen. Bürokratische Verfahren müssen vermieden werden”, so Faeser.
Das Europäische Parlament und der Rat der 27 Mitgliedstaaten müssen sich nun mit dem Vorschlag befassen. Einen genauen Zeitplan gibt es nicht.