„Es war doch nur ein Hund“

Trauer um ein Haustier ist etwas, was viele Menschen nicht verstehen. Die Hündin von Petra Stiekel starb vor zwei Jahren. Der Verlust schmerzt sie noch heute.

Die Hundetrainerin Petra Stiekel mit ihrer Hündin Abbygaile an der Grabstaette ihrer verstorbenen Hunden Enya und Shantie.
Die Hundetrainerin Petra Stiekel mit ihrer Hündin Abbygaile an der Grabstaette ihrer verstorbenen Hunden Enya und Shantie.epd-bild/Bjoern Schlueter

Von Björn Schlüter

Hannover/Königslutter. An den Abschied von Labrador-Hündin Shantie vor zwei Jahren erinnert sich Petra Stiekel noch ganz genau. "Sie hat sich auf ihren Lieblingsplatz im Garten gelegt, war ruhig und wirkte sehr in sich zurückgezogen", sagt die Hundetrainerin aus Königslutter bei Braunschweig und weist von ihrer Terrasse auf den Fuß einer zwölf Meter hohen Nordmanntanne. Dort im Schatten habe Shantie in ihren letzten Tagen oft ein wenig Ruhe genossen.

Shantie ging über die Regenbogenbrücke

"Wir haben vor elf Jahren unsere Hundeschule gemeinsam gegründet – Shantie, ihre Tochter Enya und ich", sagt Stiekel, ihr Blick geht in die Ferne. "Shantie hatte einen angeborenen Herzfehler, aber ein unglaublich aufgeschlossenes Wesen", sagt sie nach einer Weile. "Mit ihrer souveränen Art hat sie gemeinsam mit mir Generationen von Hunden erzogen – und dann ging Shantie über die Regenbogenbrücke." In diesem Sommer ist dann auch Shanties Tochter Enya gestorben.
Heute erinnern zwei kleine schwarze Urnen, deren Form Labradoren nachempfunden ist, an die Hündinnen. Stiekel hat sie unter der Nordmanntanne platziert, an Shanties Lieblingsplatz. "Mir gefällt es so", sagt sie. "Ich kann in meinen Garten blicken und habe das Gefühl, die beiden blicken zurück."

Trauernde ernten oft Unverständnis

Trauer um ihre Tiere ist für sie selbstverständlich. "Davor ist man auch als Hundetrainerin nicht gefeit." Es gebe Tage, da könne sie sich erinnern und über viele Erlebnisse lachen. "Und dann gab es gerade zu Anfang Tage, da heulte ich Rotzblasen." Für viele sei das schwer zu verstehen gewesen. "Das finde ich noch immer sehr schade." Tierärztin Marion Schmitt arbeitet an der Tierärztlichen Hochschule Hannover seit dem Sommer an einer Dissertation zum Thema Trauer um Haustiere. Ihre Recherchen bestätigen, was Petra Stiekel und viele weitere Tierbesitzer erleben: "Trauer um Tiere ist gesellschaftlich immer noch nicht anerkannt", sagt Schmitt.

Bewusstsein schaffen für die Trauer um Haustiere

"Die Familie und Freunde, die das Tier kannten, verstehen es vielleicht noch. Das weitere Umfeld reagiert aber meist eher befremdet und mit abwertenden Kommentaren." Selbst aufmunternd gemeinte Kommentare zeugten teils eher von Ignoranz als von Anteilnahme: "Wenn jemand sagt ‚War doch nur ein Hund – hol dir doch einen neuen!‘, hilft das den Betroffenen überhaupt nicht weiter." Schmitt möchte mit ihrer Doktorarbeit dazu beitragen, ein Bewusstsein für die Trauer um Haustiere zu schaffen. "Man darf nicht vergessen, dass der Verlust ihres Tieres für die Menschen das Schlimmste ist, was ihnen gerade passiert ist", sagt sie. Egal, was für ein Tier das sei – es komme darauf an, wie eng die Beziehung zwischen Mensch und Haustier gewesen sei. "So gab es in meinen Recherchen beispielsweise einen Fall, in dem jemand um seine Vogelspinne trauerte. In einem anderen Fall war es ein Ziervogel. Prinzipiell könnte es auch ein Goldfisch sein."

Tiere sind heutzutage wichtige Sozialpartner

Martin Struck ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Tierbestatter. Auch er hat die Erfahrung gemacht: "Tiere sind heute viel öfter Familienmitglieder, und das wird auch so gelebt." Inzwischen sei es nicht mehr selten, dass zu einer Beerdigung oder Urnenbeisetzung die ganze Verwandtschaft auf den Tierfriedhof komme. "Omas, Opas, die ganze Familie und alle, die mal beispielsweise mit dem Hund gespielt haben, sind dann da und wollen sich verabschieden." Die Tierbestatter stellten sich zunehmend darauf ein und sorgten für einen würdevollen Rahmen, sagt Struck. "Ein großes Zeremoniell vom Bestatter oder Trauerreden gibt es aber nicht." Für ihn sei es wichtig, dass die Menschen begleitet würden, die um ihre Tiere trauern. "Tiere sind heute viel stärker Sozialpartner als früher. Die Menschen wollen dann natürlich nicht, dass ihr Tier am Ende beim Abdecker oder in der Tonne landet."

Gemeinsame Grabstätten für Mensch und Tier

Der Trend entwickle sich eher in eine andere Richtung, erläutert Struck. Seit einigen Jahren sei beispielsweise in Braubach (Rheinland-Pfalz) und in Essen (Nordrhein-Westfalen) die gemeinsame Bestattung von Mensch und Tier möglich. Wenn das Tier nach dem Menschen sterbe, könne es recht einfach als Grabbeigabe einem bestehenden Grab hinzugefügt werden, erläutert Struck. Das Bestattungsrecht werde allerdings auf Länderebene geregelt und falle daher unterschiedlich aus: "Tierhalter wünschen sich diese Möglichkeit jedenfalls zunehmend." Für Petra Stiekel wäre das keine Option. Sie sieht lieber ihren aktuellen Hunden Fairytale und Abbygaile zu, wie sie im Garten vor den Urnen von Enya und Shantie spielen. Für ihre eigene Trauerbewältigung habe ihr das Bild der Regenbogenbrücke sehr geholfen. "’Mein Hund ist gestorben‘ klingt wie ‚meine Waschmaschine ist kaputt‘. Das drückt nicht aus, was man fühlt", sagt sie. "Bei der Regenbogenbrücke weiß jeder, was gemeint ist, ohne, dass man es aussprechen muss." Das romantisierte Bild spendet ihr Trost: "Meine Hunde sind tot, das ist klar. Aber so sind sie immer noch irgendwie für mich da." (epd)