Erstaunlich aktuell

In der Hauptkirche St. Petri beginnt das Sommerprogramm – in diesem Jahr mit Bonhoeffer-Schwerpunkt, drei Kunstinstallationen und vielen Kulturveranstaltungen.

Kirchenbank mal hochkant: Axel Richter und Jens-Martin Kruse laden dazu ein, die Kunstinstallation in der Hauptkirche St. Petri zu erleben.
Kirchenbank mal hochkant: Axel Richter und Jens-Martin Kruse laden dazu ein, die Kunstinstallation in der Hauptkirche St. Petri zu erleben.epd/Friederike Lübke

Altstadt. Es dröhnt und knarzt, dann hat der Kran die lange Kirchenbank im Altarraum senkrecht in die Luft gehoben. Nun ragt sie fast bis zu den bunten Glasfenstern empor, das weiße Schildchen „Sitzplatz“ am oberen Ende, das eben noch nur ein banaler Hinweis war, wirkt plötzlich absurd. Die Bank steht hochkant auf einem grauen Rechteck, weitere werden folgen, bis hier eine Kunstinstallation zu Dietrich Bonhoeffers Gefängniszelle entstanden ist.

In St. Petri haben die Dietrich-Bonhoeffer-Tage begonnen. Gestaltet werden sie zusammen mit dem Kunsthaus am Schüberg, Mitveranstalter ist der Kirchenkreis Hamburg-Ost. Dietrich Bonhoeffers Todestag jährt sich in diesem Jahr zum 75. Mal. St. Petri hat durch das Bonhoeffer-Denkmal vor der Kirche bereits eine Verbindung zu dem Theologen, drei Kunstinstallationen und ein Kulturprogramm gehen auf Aspekte seines Lebens und Wirkens sein.

Themengottesdienst zu „Widerstand und Ergebung“

St.-Petri-Hauptpastor Jens-Martin Kruse entdeckt bei Bonhoeffer eine „erstaunliche Aktualität“. Wie dieser sich zu einem Gottvertrauen durchkämpft hat und glaubwürdig für seine Überzeugungen eingetreten ist, findet er beeindruckend. Bonhoeffers Gottesbild, sein Blick auf die Kirche und sein Widerstand sprechen ihn besonders an. Er gestaltet einen Themengottesdienst zu „Widerstand und Ergebung“ und geht dabei auch auf die Kunstinstallationen ein, die die St.-Petri-Kirche aktuell prägen.

Die Installation „Zelle“ stammt von Axel Richter, Bildhauer und künstlerischer Leiter des Hauses am Schüberg. Kirchenbänke von St. Petri wurden abgeschraubt und so im Altarraum aufgestellt, dass sie innerhalb der Kirche einen neuen, kleinen Raum bilden. In der Mitte steht ein grauer Hocker. Besucher können hier Platz nehmen und sind plötzlich isoliert, umschlossen von Möbeln, die ihre eigentliche Bedeutung verloren haben. Es geht um Isolation und Gemeinschaft, darum, eine Haltung zu haben und dafür ausgegrenzt zu werden.

Zum ersten Mal die Sterne sehen

Aber da Kunst nicht eindeutig sein soll, wie Richter sagt, kommt es auch darauf an, welche Erfahrungen die Betrachter machen werden. Vielleicht wird der eine oder andere den Blick an den langen Bänken nach oben wandern lassen, zum ersten Mal die Sterne an der Kirchendecke sehen und merken, „dass der Himmel sogar näher ist“, sagt Richter. Im Kirchenschiff bildet der durch die abgeschraubten Bänke frei gewordene Raum – von oben betrachtet – ein Kreuz. Inspiriert hat Richter ein Zitat des englischen Bischofs George Bell, der über seinen Freund Dietrich Bonhoeffer sagte, dessen Widerstand besitzt eine vertikale und eine horizontale Dimension.

Teil der Dietrich-Bonhoeffer-Tage sind auch die Kunstinstallation „unser täglich Brot“ von Denise Heinemeier, ein Abendmahltisch mit Wachsgeschirr, sowie vor der Kirche eine große Bleiplatte des Künstlers Uwe Schloen mit dem Schriftzug „HIER NICHT“, den Richter ­außerdem mit Sprühkreide in 24 Sprachen auf dem Pflaster auftragen wird. Für Kruse und Richter ist das eine moderne Übertragung von Bonhoeffers Ausdruck „Dem Rad in die Speichen fallen“. „Wo müssen wir Farbe bekennen? Und was soll keinen Platz haben?“, fragt Kruse. Montags bis freitags können Menschen um 17.15 Uhr auf einer kleinen Kanzel nahe der Bleiplatte sagen, wofür sie stehen wollen – oder wofür nicht.

Vielseitiges Sommerprogramm

Während des Sommerprogramms wird auch des Atombombenabwurfs auf Hiroshima gedacht, der sich ebenfalls zum 75. Mal jährt, und auf Rüstungsexporte aus Hamburg aufmerksam gemacht. Außerdem führt die Gemeinde die Aktion „Auf die Plätze“ weiter. Diese Initiative richtet sich vorrangig an Menschen, die sonst an der Innenstadtkirche nur vorübergehen. Sie soll sie einladen und ihnen zeigen: „Kirche kann ganz anders sein, als viele Menschen denken“, sagt St.-Petri-Hauptpastor Jens-Martin Kruse, und damit meint er: „witzig, locker, gehaltvoll und nicht moralinsauer“.

Neu ist in diesem Jahr, dass sich neben St. Petri auch die Hauptkirchen St. Jacobi und St. Katharinen beteiligen. Drei Aktionen sind gemeinsam geplant. So werden an drei Dienstagen im August Künstler jeden der Kirchenplätze nacheinander mit dem gleichen Programm bespielen. Die Hamburger Marching Band etwa tritt am Dienstag, 18. August, zuerst um 12 Uhr vor St. Katharinen auf, spielt um 13 Uhr vor St. Petri weiter und um 14 Uhr vor St. Jacobi.