Erst Kreißsaal, jetzt Kanzel

Früher arbeitete sie als Hebamme. Dann entschied sich Friederike Arnold für die Pastoren-Laufbahn. Jetzt absolviert sie ein Vikariat in Lübeck – und sieht viele Parallelen zwischen ihren beiden Jobs.

Friederike Arnold (33)  macht ein Vikariat in der Lübecker Kirchengemeinde Luther-Melanchthon
Friederike Arnold (33) macht ein Vikariat in der Lübecker Kirchengemeinde Luther-MelanchthonNadine Heggen

Lübeck. Schon als Kind wollte Friederike Arnold Hebamme ­werden. Nach dem Abitur machte die gebürtige Cloppenburgerin ihre Ausbildung am St.-Bernward-Krankenhaus in Hildesheim, wechselte dann an die Berliner Charité. Insgesamt half sie rund 300 Frauen, ihre Babys zur Welt zu bringen. Dabei entdeckte sie ihr Talent zur Seelsorge und sattelte ein Theologie-Studium obendrauf. Seit März absolviert sie nun ein Gemeindevikariat in der Kirchengemeinde Luther-Melanchthon in Lübeck. „Ich kann Menschen in Krisen und Lebensübergängen gut begleiten. Das ist auch Aufgabe der Kirche“, sagt die 33-Jährige.

Zwischen Himmel und Hölle hat Friederike Arnold sich als Hebamme oft gefühlt. Das Glück der Frauen, die nach großen Schmerzen unter der Geburt ihr gesundes Baby im Arm hielten. Aber auch die Trauer der Eltern, deren Kinder tot geboren wurden. Schon während ihrer Ausbildung empfand Arnold keine Scheu, Menschen in ihrem Schmerz zu begegnen. Während das Pflegepersonal den Kontakt mit den trauernden Müttern möglichst vermied, suchte sie das Gespräch.

Viele Wunder erlebt

Besonders beeindruckte Friederike Arnold die Begegnung mit einer Frau, die nach einer künstlichen Befruchtung alle vier Kinder verlor und daraufhin eine Depression bekam. Ein paar Jahre später traf Arnold sie im Kreißsaal wieder. Die Frau war doch noch auf natürlichem Wege schwanger geworden und brachte schließlich ein gesundes Kind zur Welt. „Ich habe viele Wunder erlebt und gelernt, das Leben zu feiern“, sagt die junge Frau.

Sehnsucht nach Gerechtigkeit

Gleichzeitig kam sie auch immer wieder mit dem Glauben in Berührung. In der Berliner Charité erlebte sie, wie kurz nach der Entbindung der Imam zu den muslimischen Frauen kam und die Babys mit dem Glaubensbekenntnis begrüßte. Arnold selbst fühlte sich in ihrer Spiritualität jedoch oft allein. „Mir fehlte eine gemeinsame Sprache und Bildwelt.“ Arnold merkte, wie wenig sie über ihre christliche Konfession wusste. „Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass Kirche in meiner Sehnsucht nach Gerechtigkeit durchaus etwas bewirken kann.“

So nahm sie 2011 das Studium der Evangelischen Theologie an der Berliner Humboldt-Universität auf, machte aber in der Charité weiterhin Vertretungsdienste als Hebamme. Vier Jahre später wechselte sie nach Rostock, machte 2018 ihr kirchliches Examen. Eine sechswöchige Ausbildung in der Klinischen Seelsorgeausbildung im Hamburger Amalie-Sieveking-Krankenhaus brachte sie in Kontakt mit der Nordkirche. „In dieser Zeit bin ich förmlich aufgeblüht. Ich war nah dran an den Menschen, gehörte aber nicht mehr zum medizinischen Personal.“

Adrenalin auf der Kanzel

Während der Seelsorgephase ihres Vikariats in Lübeck startete Arnold die Flyer-Aktion „Von der Seele reden“. 15 Menschen aus der Umgebung meldeten sich bei ihr. Arnold besuchte jeden und blieb bis zu eineinhalb Stunden. Die Gespräche drehten sich um den Verlust von Angehörigen, Krankheiten und Ängste der Gemeindemitglieder.

Durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie stand Arnold erst viermal auf der Kanzel der Lübecker Lutherkirche. Anschließend hat sie sich jedes Mal ein bisschen so gefühlt wie nach einer gelungenen Geburt im Kreißsaal. „Das liegt sicher am Adrenalin.“ Und daran, dass Friederike Arnold ihre Gottesdienste gern kreativ gestaltet. Ihr Credo: Eine gute Predigt sollte sich am Alltag der Menschen orientieren und auch mal politisch sein. Und niemals länger als sieben Minuten dauern.
Wie es nach dem Vikariat weitergeht, weiß Friederike Arnold noch nicht. Ihren Lebensweg plane sie eher kurzfristig. „Ich vertraue darauf, dass ich einen Ruf höre. Wenn ich dem folge, gibt es keine falsche Entscheidung.“

Info
Ein Segnungsgottesdienst für Schwangere wird am Sonntag, ­27. September, um 17 Uhr im Dom zu Lübeck angeboten. Pastorin Nicola Nehmzow, Pastorin Margrit Wegner und Friederike Arnold gestalten ihn.