Erinnerungen an ein schicksalhaftes Jahrhundert

Eine 96-Jährige erinnert sich an ein Jahrhundert, in dem deutsche und niederländische Geschichte verwoben sind. Kein Buch für eine nächtliche Lektüre.

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Otto de Kat: Die längste Nacht
Von Thomas Maess
Das Design des Buches tröstet über Schwächen des Romans hinweg. Wer die Personen googelt, denen das Buch gewidmet ist, stößt auf eine Geschichte, die es in die Wikipedia schaffte und die literarisch bereits erzählt wurde (Christabel und Peter Bielenberg). Der niederländische Autor Otto de Kat lässt die 96-jährige Emma Verweij auf ihrem Sterbebett ein Jahrhundert resümieren, in dem deutsche und niederländische Geschichte miteinander verwoben ist. Dabei wechselt der Autor die einstmals handelnden Personen generös aus, sodass eine historische Recherche eher verwirrt.
Emma, Hauptperson des Romans, durchlebt in ihren letzten Tagen glückliche und beschwerliche Zeiten, erinnert sich an Carl, der wegen Hochverrats 1944 hingerichtet wurde, an Bruno, ihren Mann, ihre zwei Söhne und an die ersten Nachkriegsjahre. Der Schatten ihrer Nachdenklichkeit reicht weit zurück in die Kindheit, an erste Schulstunden, erste Bücher und vergessene Blessuren. Wenn die Ruder sinken, nimmt der Mensch häufig eine Neuvermessung von menschlicher Größe und menschlichem Elend vor. Das alles wird dicht erzählt, bis hin zu Erinnerungen an messingfarbene Namensschildchen in Kirchenbänken oder an abgebrochene Episoden. Das lange Leben von Emma, eingefügt in ein blutgetränktes Jahrhundert, verliert an Eifer und verlangt nach einem stillen Frieden. Dennoch wirkt die Sprache einen Tick zu manieriert, und zuweilen verwirrt der schnelle Wechsel von Vergangenem zum Gegenwärtigen: für eine nächtliche Lektüre kaum geeignet.
Es liegt eine melancholische Dünnhäutigkeit über der Nachbarschaft mit Holland, die uns verpflichtet, hinzuhören, wenn ein niederländischer Autor an die gemeinsame Geschichte erinnert. Literarisch ist der Roman nicht ganz auf der Höhe dieser Vorsicht, was schade ist.
Otto de Kat: Die längste Nacht
Schöffling & Co. 2015
224 Seiten, 19,95 Euro

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