„Ich kann mir so manchen Luxus leisten, aber den der Langeweile nicht“, sagte Robert Rauschenberg (1925-2008) einmal. Unermüdlich experimentierte und suchte er, probierte Dinge aus. Der US-Künstler mit deutschen und amerikanisch-indigenen Wurzeln war Maler, Grafiker und Bildhauer, aber auch Fotograf, Choreograf, Kostüm- und Bühnenbildner. Die Konzept- und Performance-Kunst hat er mitgeprägt und gilt als Wegbereiter der Pop-Art, viele sehen ihn als Neo-Dadaisten. Aber Schubladen interessierten ihn nicht. Vor 100 Jahren, am 22. Oktober 1925, wurde Robert Rauschenberg in Texas geboren. Er starb 2008 in Florida.
Rauschenberg war ein humorvoller Mensch: „Dies schlägt sich auch in seinen Arbeiten nieder, die mitunter explizit oder versteckt Verweise beinhalten, die einen zum Schmunzeln bringen“, sagt Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig in Köln, das eine der größten Sammlungen amerikanischer Pop-Art besitzt. Dennoch „zeugen viele von Rauschenbergs Arbeiten nicht minder von einer gewissen Ernsthaftigkeit und politischen Involviertheit.“ Themen wie Armut, Rassismus und der Vietnamkrieg kommen immer wieder bei ihm vor.
1951 trat der junge Rauschenberg erstmals an die Öffentlichkeit: Die „White Paintings“, mit gewöhnlicher Wandfarbe bemalte einfarbig weiße Tafeln, waren wohl ein tastender Versuch, etwas radikal Neues zu schaffen. Es folgten monochrom schwarze und schließlich rote Bilder.
Die US-amerikanische Kunstszene wurde damals vom Abstrakten Expressionismus mit seinen wild-pathetischen Pinselschwüngen beherrscht. Ein Hauptvertreter dieser Richtung war Willem de Kooning. Von ihm hat Rauschenberg 1951, mit dem Einverständnis des Urhebers, eine Zeichnung ausradiert. Eine radikale Geste der jungen Rebellion gegen die Übermacht der Abstraktion und gewiss auch gegen den Geniekult der etablierten Avantgarde. Rauschenberg verbrauchte nach eigenem Bekunden ein halbes Dutzend Radiergummis und nannte das Ergebnis schlicht „Erased de Kooning Drawing“.
Er wollte das Leben in die Kunst holen. Er versuche, in der Lücke zwischen Leben und Kunst zu handeln, sagte er einmal. Rauschenberg nahm – wie ein halbes Jahrhundert zuvor Kurt Schwitters – alltägliche Gegenstände, auch scheinbar wertlose Dinge, Müll, und fügte sie neu zusammen. Auch ausgestopfte Tiere gehörten immer wieder dazu.
„Combines“ nannte er diese Kombinationen, die Malerei und Skulptur vermischten. 1954/55 entstand das Werk „Collection“, das wie ein Gemälde an der Wand hängt, aber durch einen Seidenschleier und Holzreste in den Raum hineinragt. Comics, Farbspritzer, Fragmente von Illustrationen aus Magazinen drängen hier ebenso nach Aufmerksamkeit wie Pinselstriche aus dem Repertoire des Abstrakten Expressionismus. Die „Combines“ brachten Rauschenberg internationalen Erfolg.
Gemeinsam mit dem Musiker John Cage – der Alltagsgeräusche in seine Kunst aufnahm – und dem Tänzer Merce Cunningham gestaltete Rauschenberg Happenings und Theateraufführungen, entwarf Bühnenbilder und Kostüme. In den 1960er Jahren war er verantwortlich für zahlreiche Choreografien und stand auch selbst auf der Bühne.
Zeitgleich mit Andy Warhol entdeckte Rauschenberg 1962 das Siebdruckverfahren für sich. Warhol wiederholte stereotyp ein Motiv in fotomechanisch vervielfältigten Siebdrucken, um die Mechanismen der industrialisierten Konsumgesellschaft vor Augen zu führen. Rauschenbergs Siebdrucke, die er bald mit Lithografie, Collage und Zeichnung kombinierte, sind dagegen komplexe, manchmal fein ziselierte Gebilde – oft mit dem Thema Mensch und Technik.
Ab 1965 entstanden Objekte, die Klang und Bewegung verbanden wie „Mud Muse“ (1971): gurgelnde Matschblasen, erzeugt durch ein schallaktiviertes Druckluftsystem in einem mit Wasser verdünnten, grauen Tonmineralgemisch.
Das Projekt „Rauschenberg Overseas Culture Interchange“ war eine weltumspannende Wanderausstellung mit wechselndem Bestand von etwa 200 Werken, entstanden in Kooperation mit örtlichen Künstlern. Von 1984 bis 1991 war er in zehn Ländern unterwegs, unter anderem in Kuba, Russland, Malaysia und Deutschland. Sein Ziel war, die jeweilige Kultur künstlerisch darzustellen.
Der Sohn strenger Puritaner war in einfachen Verhältnissen groß geworden, später spendete Rauschenberg große Summen für wohltätige Zwecke, unterstützte andere Künstler und die Demokratische Partei.
Künstlerisch sei er stets den Prinzipien der Aneignung und der Kombination von unerwarteten Gegenständen treu geblieben, sagte Museumsdirektor Dziewior. Auch wenn sich seine Arbeiten immer weiterentwickelt hätten: „Der Bezug zu Alltagsobjekten und wie diese inhaltlich aufgeladen sind, zieht sich durch sein gesamtes Werk.“