In Saarbrücken wird die Einheit gefeiert – mit 600 Künstlern, Politikprominenz und Europameile. Es gibt aber auch Kritik an den Feierlichkeiten. Und ein kleiner Klimaprotest richtet sich an den Kanzler.
“Immerhin wurde jetzt der Kreisverkehr da hinten noch schnell fertig gemacht.” Es ist Freitagmorgen, Rentnerin Renate ist gerade am Hauptbahnhof Saarbrücken angekommen. Sie deutet in Richtung Innenstadt. Die 80-Jährige will die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in der saarländischen Landeshauptstadt zwar nicht besuchen, für sie hat das Fest aber offensichtlich schon einen erfreulichen Nebeneffekt.
Natürlich hat das Saarland als diesjähriger Ausrichter des Einheitsfests noch mehr zu bieten als einen neuen Kreisverkehr: Von Donnerstag bis Samstag werden laut Angaben der Veranstalter mehr als 600 Künstler auf zahlreichen Bühnen in der Innenstadt aufgetreten sein.
Hinzu kommen etwa 150 Aussteller mit eigenen Ständen. Neben Vertretungen der anderen Bundesländer sind auch zahlreiche Vereine aus der Grenzregion, die Kirchen und weitere öffentliche Institutionen vor Ort. Nach einem sonnigen Auftakt am Donnerstag regnet es am Freitagmorgen. Als die Aussteller ihre Zelte öffnen, ist auf der Einkaufsmeile noch nicht viel los.
Zu den frühen Gästen des Bürgerfestes gehört das Ehepaar Sabine und Jörg, die mit ihren Rädern auf dem Weg zum ökumenischen Gottesdienst in der Ludwigskirche unterwegs sind. Dort hat sich Politik-Prominenz versammelt. Neben Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist auch der französische Präsident Emmanuel Macron in der Stadt. Dass das Einheitsfest in Saarbrücken stattfindet und so viel Aufmerksamkeit bekommt, finden Sabine und Jörg gut. Ins Gespräch kommen sei wichtig.
“Wir sind momentan nicht mehr eins. Das gilt nicht nur für Ost und West, sondern für ganz Deutschland”, sagt Jörg. Sabine ergänzt: “Und eigentlich gilt das für die ganze Welt.” Beide radeln weiter. Die Stände des Bürgerfests wollen Sie sich später genauer anschauen.
Mittlerweile ist es Vormittag und das Wetter etwas besser. An die Stände der Aussteller strömen immer mehr Menschen. Neben Glücksrädern und Fotoboxen bieten viele Institutionen auch konkrete Gesprächsangebote an – und die drehen sich nicht nur um die Einheitsfeier. Petra Scherschel von der Caritas berichtet vor allem von Besuchern, die Angst vor Einsamkeit haben.
“Solche Sorgen ergeben sich dann in den Gesprächen mit den Menschen”, erzählt sie. Die Besucher kommen dabei auch aus verschiedenen Bundesländern und informieren sich über die Arbeit der Einrichtung.
Und auch Europa spielt auf dem Bürgerfest eine große Rolle. Tatsächlich gibt es sogar eine eigene Europameile, in der sich unter anderem eine Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit präsentiert. Mitarbeiterinnen berichten, dass ungefähr ein Drittel der Standbesucher Französisch spricht.
Die Deutsche Einheit sei aber eher bei den Franzosen in der Grenzregion ein Thema. Schon in Metz sei das nicht mehr so in den Köpfen präsent. “Deutsche wissen wahrscheinlich mehr über den französischen Nationalfeiertag als umgekehrt Franzosen über den Tag der Deutschen Einheit”, mutmaßen die Frauen am Stand.
Einige Besucher äußern aber auch Kritik an der Organisation. Wer durch die Straßen der Innenstadt läuft, hört immer wieder Beschwerden über die Menschenmengen. Und tatsächlich ist die Saarbrücker Innenstadt am Freitagmittag nach einem verhaltenen Start ungewöhnlich voll.
Vor allem auf den Brücken über die Saar ist ein Durchkommen für Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer kaum noch möglich. Von Donnerstag bis Samstag erwartet die Stadt hunderttausende Besucher. Kritik ist auch mit der Frage verbunden: Ist es das alles wert? Denn das Saarland lässt sich die Feierlichkeiten einiges kosten. Mehrere Millionen Euro sind im Landeshaushalt dafür eingeplant.
Das findet Willi zu viel. Der Saarländer, der das Einheitsfest an sich super findet, fällt an diesem Freitag aber noch mit einer ganz anderen Kritik auf: Als unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz den ökumenischen Gottesdienst verlässt, macht Willi mit einem Plakat und lautstark auf den Klimaschutz aufmerksam – der Bundeskanzler dreht sich daraufhin kurz in seine Richtung, bevor er gemeinsam mit seinem Tross in der Staatskanzlei des Saarlandes verschwindet.
“Ich habe mir zum ersten Mal im Leben gesagt, dass ich laut werden will und etwas zeigen möchte”, begründet Willi, warum er hier ist. Für ihn hat die Feier zum Tag der Deutschen Einheit, ähnlich wie für Renate, ihren Zweck erfüllt.