Eine Gemeinde streitet für ihren Kirchturm

Die Deutsche Bahn will eine Brücke mitten in Hamburg neu bauen. Eine Gemeinde protestiert dagegen – nicht nur, weil sie fürchtet, dass ihr Kirchturm wegen des Neubaus leiden würde.

21 Meter hoch soll die neue Brücke werden – wie auf dieser Skizze
21 Meter hoch soll die neue Brücke werden – wie auf dieser SkizzeDB Netz AG

Hamburg. Ihr Name klingt friedlich, gar himmlisch. Sternbrücke. Doch wer in ihre Nähe kommt merkt schnell, Ruhe und Frieden gibt es hier nicht. Autos, Busse, Züge queren die Kreuzung und die Brücke rund um die Uhr. Und nicht nur das. Auch um die Zukunft des Bauwerks herrscht Uneinigkeit. Während Deutsche Bahn und Stadt Hamburg einen Neubau der Brücke planen, regt sich seit Jahren der Widerstand der Anwohner.

Nun hat sich auch die Kirchengemeinde Altona-Ost zu Wort gemeldet. Das Gotteshaus liegt in unmittelbarer Nähe, der Turm der Johanniskirche überragt das Bauwerk. Noch. Denn die Pläne sehen vor, dass aus der denkmalgeschützten Balkenbrücke für die Hochbahn eine 21 Meter hohe Stabbogenbrücke werden soll. „Der für den Stadtteil identitätsstiftende Kirchturm wird durch die überdimensionierten Bögen verstellt“, heißt es in einer Mitteilung der Gemeinde.

Unter Denkmalschutz

Die Sternbrücke ist in Teilen mehr als 100 Jahre alt und steht seit 2015 unter Denkmalschutz. Ihren Namen trägt sie aufgrund ihres sternförmig zusammenlaufenden Verkehrs aus sieben Richtungen. Hier kreuzen sich Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße, die Wohlers Allee stößt von Süden her hinzu, über ihnen verläuft die Bahnlinie zwischen Altona und dem Hauptbahnhof. Die Hauptverkehrsachse bei gleichzeitig enger Wohnbebauung macht die Kreuzung zu einem neuralgischen Verkehrsknoten. Gutachten haben ergeben, dass sie in ihrem aktuellen Zustand nicht mehr lange genutzt werden kann.

Noch gibt es einen freien Blick auf den Turm der St.-Johannis-Kirche
Noch gibt es einen freien Blick auf den Turm der St.-Johannis-KircheJohanna Tyrell

Die Gemeinde begrüßt zwar grundsätzlich die Modernisierung, Kritik erntet jedoch der Planungsprozess. „Von dem Moment an, wo die Bahn die Planung veröffentlichte, war es schon zu spät sich zu beteiligen“, sagt Monika Rulfs vom Kirchengemeinderat. Das war im April 2020. Bahn und Stadt hatten den Entwurf bereits beschlossen und starteten das Planfeststellungsverfahren. Die Gemeinde habe daraufhin selbst die Initiative ergriffen und das Gespräch mit der Bahn gesucht, berichtet Rulfs. Es habe auch großes Interesse gegeben. Denn die Sorge der Gemeinde bezieht sich nicht nur auf die optischen Veränderungen im Bezirk, sondern auch darauf, „dass der soziale Frieden im Stadtteil durch den Bau der Brücke gefährdet wird.“

Die Kirchengemeinde befürchtet, dass durch die neue Brücke auch die Tempo-30-Zone auf der Stresemannstraße zurückgenommen wird. „Die wurde 1991 nach dem tödlichen Unfall eines kleinen Mädchens von den Anwohnern erkämpft“, erklärt Rulfs. Die promovierte Ethnologin machte die folgenden wochenlangen Bürgerproteste und die Verkehrspolitik zum Gegenstand ihrer Doktorarbeit. Die aktuelle Planung räumt dem Straßenverkehr wieder mehr Platz ein. „Die Straße darf nicht weiter für den Verkehr optimiert werden“, so Rulfs. Im Gegenteil: Die Kreuzung solle Menschen zu Fuß und mit dem Fahrrad angemessenen Raum und ausreichende Sicherheit bieten und den Wohnstandort Stresemannstraße stärken.

Bahn lädt ein zu Workshop

Eine Möglichkeit, noch etwas an den Plänen zu ändern, sieht sie jedoch nicht. Auch wenn die Bahn für den 23. Oktober einen Kreativworkshop aufgerufen hat. „Wenn die Form der Brücke bereits feststeht – was soll da noch kreativ gestaltet werden?“, fragt Rulfs. Teilnehmen möchte die Gemeinde am Workshop dennoch. Denn: „Wir verstehen unsere Rolle als Vermittler“, so Rulfs.