„Eine besondere geistliche Erfahrung“

Rund um die Uhr will die Lübecker Matthäi-Gemeinde beten. Eine Stunde lang kann jeder die Gebetszeit nach seinen Wünschen gestalten. Besonders beliebt sind die Stunden in der Nacht.

Jens Schulze / epd

Lübeck. Die Liste in der Kirche der evangelisch-lutherischen Matthäi-Gemeinde ist schon gut gefüllt. Auf dem Zettel an der Pinnwand kann sich jeder eintragen, der eine Stunde mitbeten möchte.

Am Sonnabend, 10. August, veranstaltet die Matthäi-Gemeinde ein 24-Stunden Gebet. Es beginnt um 10 Uhr morgens und endet mit dem Gottesdienst am Sonntagmorgen. Jede Stunde können die eingetragenen Beter nach ihren Wünschen gestalten. Sie können moderne Anbetungslieder singen oder Lieder aus dem Gesangbuch, sie können laut oder leise eigene Gebete sprechen oder die Psalmen lesen.

In der Kirche sind außerdem verschiedene Stationen aufgebaut, an denen man zum Beispiel eine Kerze anzünden oder eine Bitte formulieren kann. Auch einfach still in der Kirche sitzen oder in kleinen Gruppen gemeinsam beten ist möglich. Vorgaben gibt es keine, Beten kann jeder, wofür er möchte. Jede Gebetsstunde wird von einem zuständigen Beter und einem Gastgeber gestaltet, der sich um die Besucher kümmert.

Nachtstunden schon belegt

In Deutschland und den evangelischen Landeskirchen sind solche langen Gebetszeiten nicht sehr verbreitet – aber in anderen christlichen Kirchen auf der ganzen Welt werden sie viel praktiziert, sagt Pastor Michael Schulze, der die Idee hatte, das Format auch in seiner Gemeinde auszuprobieren.

Im vergangenen Jahr fand das Rund-um-die-Uhr-Gebet zum ersten Mal statt. Am Ende waren die Reaktionen so gut, dass feststand, dass das Rund-um-die-Uhr-Gebet wieder stattfinden sollte. „Ich habe keine einzige negative Rückmeldung bekommen“, sagt Schulze. Die Beter erzählen, es sei gut oder sogar „schön“ gewesen. Viele hätten es als besonders intensiv erlebt. Wer anfangs Bedenken hatte, wie er eine Stunde mit Gebet verbringen sollte, war hinterher überrascht, wie schnell die Zeit vergangen war.

Der Pastor erklärt es sich damit, dass man eine andere Gelassenheit finde, wenn man weiß, dass man eine Stunde Zeit hat. „Das führt in eine geistliche Ruhe“, sagt er.
Auch die Nachtstunden waren beliebt. Es sei eine besondere geistliche Erfahrung, die Kirche einmal für sich allen zu haben, sagt Schulze. Er wurde sogar gefragt, ob er nicht den Kirchenschlüssel herausgeben könne, damit man öfter nachts zum Beten kommen könnte. Normalweise ist die Kirche sonst abgeschlossen. Auch dieses Mal sind die Nachstunden zwischen 20 Uhr abends und vier Uhr morgens bereits belegt.

Kirche mit „Gebetsbriefkasten“

Der Termin im August ist mit Bedacht gewählt, denn am darauffolgenden Montag beginnt in Schleswig-Holstein wieder die Schule. Das sei eine gute Gelegenheit, ins Gebet zu gehen, erklärt Schulze. Er selbst wird ebenfalls mitbeten, wartet aber zuerst ab, welche Zeiten die Gemeindemitglieder belegen wollen.

Beim letzten Mal dauerte die Gebetszeit 60 Stunden. Dieses Mal sind es 24 Stunden, um den ohnehin schon hohen Aufwand etwas zu begrenzen. Im kommenden Jahr könnte es durchaus wieder ein längeres Gebet geben.

„Ich wünsche mir, dass mehr Christen das Gebet für sich entdecken“, formuliert Schulze seine Hoffnungen für die Aktion. Das betreffe gerade diejenigen, die das bislang noch nicht getan haben.

In der Matthäi-Gemeinde spielt das Gebet aber schon über das 24-Stunden-Gebet hinaus eine wichtige Rolle. Im Gottesdienst gibt es einen Liedblock mit Anbetungsliedern, einmal die Woche trifft sich ein Gebetskreis. Die Mitglieder beten auch für die Anliegen, die Besucher und Gemeindemitglieder in den „Gebetsbriefkasten“ geworfen haben, der sich in der Kirche befindet.

Info
Das 24-Stunden-Gebet findet von Sonnabend, 10. August, 10 Uhr, bis zum Gottesdienst am Sonntag, 11. August, um 10.30 Uhr in der St.-Matthäi-Kirche in der Schwartauer Allee 38 statt. Die Kirche ist während der gesamten Zeit geöffnet.