Eine besondere Bibel auf 300 Seiten

In der St.-Petrus-Gemeinde kann jeder eine Seite des Neuen Testamentes mit der Hand abschreiben. Daraus soll eine Gemeindebibel entstehen, aus der im Gottesdienst gelesen wird – wenn man die Handschrift entziffern kann.

Pastor Christoph Borger und Diakonin Nicole Meyer mit fertigen Seiten des Bibel-Projekts
Pastor Christoph Borger und Diakonin Nicole Meyer mit fertigen Seiten des Bibel-ProjektsFriederike Lübke

Hamburg. In der Luther-Bibel von 2017 hat das Neue Testament rund 300 Seiten. Es gibt sie mit verschiedenen Einbänden, Schriftgrößen und als App für das Handy. Aber die neue Bibel der St.-Petrus-Gemeinde in Hamburg-Heimfeld wird einzigartig sein, denn hier sollen die Gemeindemitglieder jede Seite selbst schreiben – mit der Hand. „Es ist eine Herausforderung“, sagt Pastor Christoph ­Borger. „Wer schreibt schon noch etwas mit der Hand?“

Im Gemeindebüro kann sich jeder Schreiber eine kopierte Seite abholen. Dazu bekommt er weiße DIN-A3-Blätter. Wie die Schreiber ihre Seite gestalten, bleibt ihnen überlassen. Sie können die Anfangsbuchstaben verzieren, Bilder um den Text malen oder manche Sätze besonders betonen. Einzige Vorgabe: Der Text muss auf eine Seite passen. Länger darf er nicht werden. Sonst wird das Buch zu dick und zu schwer. Bis November soll das Neue Testament fertig sein.

Meditatives Erlebnis

Jugenddiakonin Nicole Meyer hat bereits Erfahrung. 2003 hat sie zum ersten Mal eine Seite aus der Bibel abgeschrieben, damals noch in ihrer Heimat, der St.-Paulus-Gemeinde in Buxtehude. Die Erfahrung war so gut, dass sie die Aktion nun in St. Petrus vorschlug. „Es hat mir selbst sehr viel Spaß gemacht. Daher dachte ich, es gefällt auch anderen Leuten“, sagt sie.

Christoph Borger kann das bestätigen. Er hat bereits eine Seite aus dem Matthäusevangelium abgeschrieben. „Man beschäftigt sich intensiver damit, als wenn man es nur liest“, sagt er. Beim ersten Versuch geriet ihm der Text zu groß, und er musste von vorn beginnen. Insgesamt hat er etwa eine Stunde gebraucht. „Ich fand es sehr meditativ“, sagt er. Gerade in der Zeit von Corona passe das gut, ist er überzeugt.

Friederike Lübke

Viele Menschen verbringen noch mehr Zeit als sonst am Computer und sind übersättigt von der digitalen Kommunikation. Was vor einigen Wochen noch persönlich stattfand – Treffen, Austauschen, Gottesdienstbesuch – war in den vergangenen Wochen nur über das Internet möglich. Das Gemeindezentrum von St.-Petrus, in dem sonst Chöre probten, dienstags ein Café geöffnet ist und sich verschiedene Gruppen die Klinke in die Hand geben, liegt noch immer still und leer.

Platz auf Altar reserviert

„Es ist eine Aktion, mit der wir in Kontakt kommen wollen mit den Leuten in unserer Gemeinde“, sagt Borger. Es gehe auch darum, „die Herde zusammenzuhalten. Ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind“, ergänzt Meyer.

Die handgeschriebene Bibel soll gebunden werden und auf dem Altar liegen und vielleicht auch für die Bibellese im Gottesdienst verwendet werden. „Wenn man die Handschriften lesen kann“, sagt Borger und lächelt. Mitmachen darf allerdings auch, wer keine Schönschrift hat. „Es gibt keine Beschränkungen“, sagt Meyer. Es solle „jeder mitmachen, der einen Stift halten kann“.

Seite in Kalligrafie

14 Gemeindemitglieder haben sich schon Seiten abgeholt, vier fertige Seiten liegen vor. Das klingt nicht nach viel, aber die Reaktionen waren positiv, berichtet Meyer: Jemand hat sich extra einen besonderen Füller gekauft, jemand anderes möchte Kalligrafie anwenden. Eine Frau hat sich gleich zwei Seiten geholt, eine für sich und die andere für ihren Mann und die Kinder.

Hoffnung auf große Nachfrage

Auch Borger und Meyer wollen sich noch eine zweite Seite vornehmen und sich dafür noch mehr Zeit nehmen als für die erste. Meyer wird vielleicht eine Kerze anzünden, Borger jeden Buchstaben sorgfältig abschreiben „wie in einem klösterlichen Skriptorium“.

Sie sind optimistisch, dass sie die rund 300 Seiten zusammenbekommen werden. In ihrer Heimatgemeinde war die Nachfrage damals so groß, dass sie noch die Psalmen hinzunehmen mussten, berichtet Meyer. Die Bibel liegt noch immer in der Buxtehuder Kirche aus, das hat sie neulich in einem Andachtsvideo gesehen.

„Es schafft eine Bindung zur Kirche, wenn ich weiß: Da komme ich vor“, sagt Borger. Egal wohin einen das Leben verschlägt: „Immer wird man sagen: In der Kirche liegt eine Bibel auf dem Altar, in der habe ich auch eine Seite geschrieben“, sagt er.

Info
Wer mitmachen möchte, kann sich eine Bibelseite zum Abschreiben im Gemeindebüro der St.-Petrus-Gemeinde, Haakestraße 100, abholen. Die Öffnungszeiten sind dienstags, mittwochs und freitags von 10 bis 12 Uhr ­sowie mittwochs auch von 15 bis 17 Uhr.