Ein Teppich soll die Erinnerung bringen

Statt die Namen der Verstorbenen im Gottesdienst am Totensonntag vorzulesen, hatte Pastor Paar eine Idee: In der Kirche hängen Teppiche mit Todesdatum und Vornamen.

Steffen Paar unter dem „Teppich der Erinnerung"
Steffen Paar unter dem „Teppich der Erinnerung"Privat

Sülfeld. Betritt man in diesen Tagen die Sülfelder Kirche, geht der Blick unweigerlich nach oben. Rund 1000 goldfarbene schmale und breite Stoffstreifen hängen scheinbar schwebend im Raum. Auf manchen sind Namen und Daten zu lesen. An den Wänden stehen gelbe Schilder mit Fragen. Auf einem ist zu lesen: Was war bisher dein größtes Glück? Auf einem anderen: Was lehrt dich der Tod?

Steffen Paar, Pastor der Kirchengemeinde Sülfeld im Kirchenkreis Plön-Segeberg, hatte die Idee zu dieser Installation. An die Stelle der Gottesdienste am Totensonntag, in denen traditionell die Namen der Verstorbenen seit dem vergangenen Totensonntag verlesen würden, trete in diesem Jahr der „Teppich der Erinnerung“, erklärt Paar. Wie einzelne Teppichfäden hängen die goldenen Stoffstreifen im Raum. Jeder Verstorbene hat einen eigenen Stoffstreifen, auf dem sein Todesdatum und der Vorname stehen. Wird die Kirchentür geöffnet, bewegen sie sich sanft durch den Luftzug.

Nichts geht verloren

In den Gottesdiensten habe man gespürt, dass man nicht allein trauere. Die Gemeinschaft habe eine Ahnung von Trost geschaffen. Diese Aufgabe sollen nun die Stoffstreifen übernehmen. Der November liege als Monat in einer Jahreszeit, in der ganz viel innen geschieht – in den Häusern und in den Gedanken. „Kirchlich liegen da nicht umsonst viele Feiertage, die mit Erinnerung und Einkehr zu tun haben“, so Paar. „Unsere Toten sind Teil unserer Erinnerung. Hineingewebt in unser Gedächtnis als Angehörige und Kirchengemeinde. Hineingewebt in das, was wir Gott nennen. Nichts bleibt, aber auch nichts geht verloren. So glänzt golden unsere Hoffnung, dass Tod nichts anderes als Verwandlung ist.“

In einer Ecke der Kirche ist ein Sarg zu sehen. Auf die Frage, ob das nicht etwas zu krass sei, antwortet Paar: „Ja, der Tod ist eine harte Sache. Er führt uns das vor Augen, was wehtut und in einer Welt von stetem Wachstum keiner so recht hören will. Doch der Tod ist kein Angstmacher, sondern für die Bibel ein Lehrer. Vom Tod das Leben lernen. Nicht nur den Glauben an das Leben nach dem Tod suchen, sondern auch das Leben vor dem Tod finden! Und dem dient alles, was hier im Raum ist. Als Wegweiser, als Einladung, nicht davor wegzulaufen, sondern sich damit seinen Weg zu finden.“

Eine Herberge für die Seele

Geht es nach dem Pastor, soll die Sülfelder Kirche eine Herberge für die Seele sein. Sie ist täglich geöffnet. Es gibt die Möglichkeit, Kerzen anzuzünden, ausgedruckte Predigten und ein Erinnerungsritual für zu Hause mitzunehmen. Auch liegen für Eltern Material und Bücher bereit, mit denen sie sich mit ihren Kindern dem Thema Tod nähern können. Wer mag, kann Name und Todesdatum eines Verstorbenen dort hinterlegen. Paar wird die Daten dann dem Teppich der Erinnerung hinzufügen. Und es können Spenden für das Oldesloer Hospiz hinterlassen werden. (EZ)