Ein Stabwechsel der besonderen Art

Er ist extra nach Loccum gezogen, um mit voller Kraft Abt des Klosters sein zu können. Jetzt hört Horst Hirschler auf und übergibt das Amt an Ralf Meister.

Zum 850-jährigen Bestehen des Klosters im März 2013 ziehen Ralf Meister (li.) und Horst Hirschler in die Kirche ein
Zum 850-jährigen Bestehen des Klosters im März 2013 ziehen Ralf Meister (li.) und Horst Hirschler in die Kirche einDethard Hilbig / epd

Loccum/Kr. Nienburg. Er ist mannshoch, aus Silber gefertigt, und sein rundes Kopfstück ist einer Weinranke nachempfunden: Der Krummstab ist das Erkennungszeichen des Abtes im evangelischen Kloster Loccum bei Nienburg. Bei festlichen Anlässen symbolisiert er in der Hand des Abtes die Würde des geistlichen Leitungsamtes. Am Samstag, 5. September, kommt es in der Loccumer Klosterkirche zu einem Stabwechsel der besonderen Art: In einem Festgottesdienst ab 15 Uhr führt das Kloster nach 20 Jahren einen neuen Abt ein – wegen der Corona-Pandemie mit begrenzter Gästezahl. Der Abt und frühere hannoversche Landesbischof Horst Hirschler (86) wird das Amt an seinen Nachfolger Ralf Meister (58) weitergeben.

Auch der Krummstab wechselt dann in die Hände des jetzigen Landesbischofs Meister. Er wird der 65. Abt des Klosters sein, das 1163 von Zisterzienser-Mönchen gegründet wurde und 1600 zum evangelischen Glauben überging. Und der 19. seit der Reformation. Mönche gibt es seit dieser Zeit dort nicht mehr, dafür werden heute Pastoren ausgebildet. Meister sagt, er freue sich darauf, gemeinsam mit dem 14-köpfigen Konvent aus Theologen und Juristen künftig die Geschicke des Klosters zu lenken: „Mit großem Respekt vor einer über 850-jährigen Geschichte und vor der spirituellen Kraft, die vom Kloster Loccum ausgeht, trete ich meinen Dienst als Abt an.“

Minutenlanger Applaus

Sein Vorgänger Hirschler wird einen Tag vor dem Festgottesdienst 87 Jahre alt. Er hatte bereits im Januar beim traditionellen Epiphanias-Empfang der Landeskirche im Kloster bekanntgegeben, dass er das Amt abgeben wolle. Die Gäste des Empfangs spendeten ihm minutenlang Applaus. Denn der überzeugte Lutheraner prägte das Amt auf seine ganz eigene Weise. Unermüdlich setzte er sich für die Belange des Klosters ein, das so manche Tradition der katholischen Zisterzienser in die protestantische Zeit hinüberrettete. Und unerschöpflich wusste er Geschichten rund um Loccum zu erzählen: „Dieses wunderbare Kloster mit Leben zu erfüllen, das ist das Beste.“ Seit 1970, als er Studiendirektor im Predigerseminar Loccum wurde, ist er dem Kloster eng verbunden. Erst vor wenigen Tagen machte das Kloster Schlagzeilen, weil es nach fast 900 Jahren für Frauen öffnete.

Das Kloster Loccum liegt westlich von Hannover
Das Kloster Loccum liegt westlich von HannoverJens Schulze / epd

Der Abt zu Loccum – das ist ein besonderes Amt in Deutschlands größter Landeskirche. Seit 1928 ist es unmittelbar mit dem bischöflichen Amt verknüpft. Nur wer Landesbischof ist oder einmal war, wird zum Abt gewählt. Und das kommt nur alle 20 oder 25 Jahre vor. Hirschler übernahm das Amt am 4. Juni 2000 von seinem inzwischen verstorbenen Vorgänger Eduard Lohse, der es wiederum 1977 von Hanns Lilje übernommen hatte.

Doch während seine Amtsvorgänger außerhalb von Loccum lebten und nur besuchsweise hierher kamen, kaufte Hirschler – als Landesbischof bereits im Ruhestand – mit seiner Frau ein Haus im Ort, um dort ganz präsent zu sein. „Das war wie eine Rückkehr in alte Zeiten“, sagt der Prior des Klosters, Arend de Vries, der zugleich Geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover ist. „Er war, auch wenn er ein Haus in Loccum hatte, mehr oder weniger im Kloster zu Hause.“

Volksnaher Abt

Im Dorf erlebten die Loccumer nun einen volksnahen Abt, der im Laden nebenan einkaufen ging und auch im Feuerwehrhaus predigte. Als einmal eine Kindergruppe ins Kloster Loccum kam, kniete sich Hirschler hin und begann, den Boden zu schrubben. So habe er zeigen wollen, was das klösterliche Motto „Ora et labora!“ („Bete und arbeite!“) bedeute.

Hirschler, der vor seinem Theologiestudium eine Lehre als Elektriker absolvierte, organisierte Führungen und Konzerte, machte das Kloster zu einem touristischen Anziehungspunkt. 2013 leitete er die Feiern zum 850-jährigen Klosterjubiläum, als von März bis Oktober rund 165.000 Besucher nach Loccum strömten. „Ich will es nicht Arbeit nennen, ich bin einfach ununterbrochen tätig“, sagte er. Hirschler schob auch die noch laufende Grundsanierung des Klosters an, das bis 2021 für 29 Millionen Euro generalüberholt und erweitert wird: „Das soll für die nächsten 250 Jahre halten.“

Verschwundener Stab

Der silberne Krummstab mit der Weinranke, den Hirschler am Sonnabend ein letztes Mal tragen wird, versieht bereits seit 338 Jahren seinen Dienst. Abt Gerhard Molanus bekam ihn 1682 geschenkt. Den vorherigen Stab hatte der letzte katholische Abt von Loccum, Bernhard von Luerwald, einfach mitgenommen, als er 1634 das Kloster verließ. (epd)