Ein Schatz macht Schule

Sie ist Herrin über einen didaktischen Schatz: Beate Peters betreut seit August als Studien­leiterin für Religionsunterricht an Hamburgs Grundschulen auch die Lernwerkstatt im PTI. Ein Besuch zwischen Gebetsketten und Geschichten.

Beate Peters präsentiert die Schätze der Hamburger Lernwerkstatt. In diesem Jahr fallen das jüdische Chanukka-Fest und der 1. Sonntag im Advent auf denselben Tag.
Beate Peters präsentiert die Schätze der Hamburger Lernwerkstatt. In diesem Jahr fallen das jüdische Chanukka-Fest und der 1. Sonntag im Advent auf denselben Tag.epd/Johanna Tyrell

Hamburg. Sankt Martins Mantel und Schwert liegen noch auf dem Tisch, daneben steht schon die Nikolaus-Kiste bereit. In einem der Schränke eine Josef-Puppe, daneben Kirchenmodelle, Gebetsketten aus verschiedenen Religionen. Über allem thront auf einem Schrank neben dem Eingang ein lebensgroßes goldenes Kalb. Gutmütig schaut es auf das bunte Treiben unter sich. Beate Peters deutet auf eine blaue Moschee aus Tonpapier. „Das ist ein Ramadan-Kalender“, erklärt sie. Ähnlich dem christlichen Adventskalender versüßen die 30 Türchen muslimischen Kindern die Zeit bis zum Zuckerfest. „Das ist mir bisher auch noch nie begegnet – aber das muss ja nichts heißen“, sagt sie und lacht. Seit August ist die 55-Jährige neue Studienleiterin für den Religionsunterricht an Hamburger Grundschulen und Leiterin der Lernwerkstatt am Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche (PTI).

Ein Ort der Inspiration für den Religionsunterricht

„Das ist ein wahrer Schatz, den meine Vorgängerin Susanne von Braunmühl hier zusammengetragen hat“, sagt Peters. Für die Pädagogin selbst ist der Ort „Lernwerkstatt“ nicht neu. Zehn Jahre leitete sie bereits das Äquivalent im niedersächsischen Loccum. Im Gegensatz zur Hamburger Lernwerkstatt verbringen die Lehrkräfte dort jedoch zwei bis drei Tage gemeinsam. In der Hansestadt ist das anders. Sie ist besonders für Kurzbesuche ausgelegt. Jeden Donnerstag haben die Hamburger Religionslehrer und -lehrer­innen die Möglichkeit, sich zu Themen Inspirationen zu holen, Erfahrungen auszutauschen, durch Materialien zu stöbern oder sich beraten zu lassen. „Anschauung und Lernen mit allen Sinnen.“ Die Lernwerkstatt werde von den Lehrkräften rege genutzt, berichtet Peters.

Ein Ramadankalender, ähnlich dem christlichen Adventskalender.
Ein Ramadankalender, ähnlich dem christlichen Adventskalender.

Ihre Vorgängerin Susanne von Braunmühl habe 20 Jahre lang alles aufgeschrieben, verschiedenste Bastelprojekte aus Grundschulen zusammengetragen und so einen schier unermesslichen Fundus an Inspiration und Erfahrung für den Religionsunterricht an Grundschulen geschaffen. Nach zehn Jahren in der Lernwerkstatt in Loccum ging es für Beate Peters zurück an die Grundschule. Diese Zeit habe ihr eine neue Achtung vor der Arbeit dort gegeben, erzählt sie. „Schule hat sich verändert. Selbst im kleinstädtischen Niedersachsen sind die Klassen viel heterogener – sozial und emotional, aber auch in Bezug auf die Religionen.

Einer Realität, die sich im Hamburger „Religionsunterricht für alle“, kurz „RUfa“, widerspiegelt. Gerade das habe für Peters den Reiz ausgemacht, die Studienleitung und Lernwerkstatt zu übernehmen – „auch in dem Wissen, dass das erneuerte Hamburger Modell noch in den Kinderschuhen steckt“. Trotz aller Gleichberechtigung zwischen den Religionsgemeinschaften und Konfessionen: Der größte Teil der Religionslehrerinnen und -lehrer in Hamburg ist evangelisch. Von einer ausgewogenen Dialogfähigkeit unter Lehrkräften sei man noch weit entfernt.

Religionsunterricht für alle

Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern. An der Uni Hamburg wurden Studiengänge für Islamische und Alevitische Religion eingeführt und in einem neuen Fachbereich „Religionen“ zusammengeführt. Der Vorbereitungsdienst für das Fach Religion ist seit 2017 für muslimische, alevitische und jüdische Bewerber geöffnet.

Bis die Studierenden ins Referendariat und damit in Hamburgs Klassenräume strömen werden, ist es für die aktuellen Lehrkräfte umso wichtiger, die anderen Religionsgemeinschaften nicht aus dem Blick zu verlieren. Und das beginnt schon in der Grundschule. Die Lehrkräfte müssten sich auch für den Unterricht immer wieder die Frage stellen: Was kann ich anbieten, um die Dialogfähigkeit zu fördern? Wie bekomme ich es hin, dass alle Kinder sich gesehen fühlen?

Besonders Kinder im Grundschulalter empfinden sich noch als eine Gruppe – ungeachtet der Religionszugehörigkeit. „Das ist eine große Chance“, sagt Peters. Im Religionsunterricht gehe es daher in diesem Alter um das Bewusstsein der eigenen Identität und nicht um Abgrenzung. Diesen Fragen müssten sich auch die Lehrkräfte stellen. Neben ihrer Tätigkeit im PTI arbeitet Peters weiterhin als Religionslehrerin an einer Hamburger Grundschule. „Nach einigen Stunden fragte mich eine Schülerin, zu welcher Religion ich denn eigentlich gehöre. Kinder stellen Fragen und möchten sich auseinandersetzen.“

Und wie erinnert sich die 55-Jährige an ihren eigenen Religionsunterricht? „Ich habe die Geschichten geliebt“, erzählt sie. In Geschichten „hineinzukriechen“ – das liebe sie noch immer. Später sei die Einsicht gekommen, dass in Geschichten Erfahrungen mit Gott und Menschen aufgehoben sind. Die Ebene hinter den Geschichten und ihre Symbolkraft reize sie weiterhin. Der „Religionsunterricht für alle“ eröffnet auch für die Pädagogin einen ganz neuen Fundus an Geschichten.

Die Lernwerkstatt ist donnerstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Infos gibt es auf www.pti-nordkirche.de.