„Eine Schande für Europa!“

Im Hafen von Lampedusa ist die deutsche Kapitänin der „Sea Watch 3“ festgenommen worden, nachdem sie ihr Rettungsschiff dort festgemacht hat. Die evangelische Kirche findet dafür deutliche Worte.

Blick auf die Gangway der Sea Watch 3
Blick auf die Gangway der Sea Watch 3Heiko Kantar / epd

Hannover/Rom. In Italien ist die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete festgenommen worden, nachdem sie ihr Rettungsschiff mit 40 Flüchtlingen in der Nacht zum Sonnabend den Hafen von Lampedusa gebracht hat. Die Migranten, die mehr als zwei Wochen auf der „Sea-Watch 3“ waren, gingen dort an Land, wie italienische Medien berichteten. In Deutschland stieß die Festnahme auf Kritik. Außenminister Heiko Maas (SPD) appellierte per Twitter an die italienische Justiz, die Vorwürfe schnell zu klären. „Menschenleben zu retten ist eine humanitäre Verpflichtung. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden“, erklärte der Minister.

Italien hatte das Anlegen des Schiffes nicht genehmigt. Es wurde im Hafen umgehend von Polizei und Zollbehörden beschlagnahmt. Die Kapitänin steht nach Angaben der Organisation See-Watch unter Hausarrest, während die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat. Ihr werde Beihilfe zur illegalen Einreise vorgeworfen, sagte ein Sea-Watch-Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach italienischen Medienberichten droht ihr wegen Verstoßes gegen die Schifffahrtsordnung eine Haftstrafe zwischen drei und zehn Jahren. Laut Auswärtigem Amt wird der Fall durch die Botschaft in Rom konsularisch begleitet.

Bewunderung für Kapitänin

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte die Festnahme scharf. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erklärte in Hannover, dass die Sea-Watch-Kapitänin beim Anlegen in Lampedusa festgenommen wurde, mache ihn „traurig und zornig“: „Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die geretteten Menschen sicher an Land bringen will. Eine Schande für Europa!“


Kirchentagspräsident Hans Leyendecker hat zur „Solidarität der Anständigen“ aufgerufen. „Wer die mutige Kapitänin Rackete festnehmen lässt, wer Helfer wie Carola Rackete verfolgt, erschlägt die Menschlichkeit“, sagte Leyendecker dem epd in Düsseldorf. Der Journalist verurteilte das Vorgehen von Italiens Innenminister Matteo Salvini als „Schande für Europa“.

Leyendecker äußerte Bewunderung für Racketes Mut. „Sie weiß, dass in Italien Unrecht derzeit Recht ist und setzt sich dennoch mit aller Kraft für die Geretteten ein.“ Die Rettungsschiffe würden von der italienischen Politik behandelt, als hätten sie nicht Menschen, sondern Pest und Cholera an Bord. „Die Flüchtlinge sind geflohen, weil sie nicht krepieren wollten, und man tut so, als handele es sich um Einbrecher oder Terroristen.“

Die Besatzung des Rettungsschiffes hatte am 12. Juni insgesamt 53 Flüchtlinge in Seenot vor Libyen gerettet. Einige der Flüchtlinge durften in den vergangenen Tagen als Notfälle an Land gehen. Eine Rückkehr nach Libyen hatte die Organisation Sea-Watch wegen des Bürgerkriegs und der Menschenrechtsverletzungen dort ausgeschlossen. (epd)