Falls sich tatsächlich mal jemand im Grab umgedreht haben sollte, dann vielleicht Jakob Fugger (1459-1525). Der Augsburger Unternehmer hatte ein internationales Handelsimperium und nach heutigen Maßstäben ein Milliarden-Vermögen aufgebaut, zog an mehreren Höfen Europas politisch die Strippen und wollte sich auch nach seinem Tod in guten Händen wissen. Ab 1509 ließ der strenggläubige Katholik die prächtige Fuggerkappelle in St. Anna in Augsburg als Familiengrabstätte bauen. Fertiggestellt wurde die Kapelle in den Wirren der Reformation, sehr zum Missfallen Fuggers, der „ganz wider die Lutherei“ war, wie es auf der Homepage von St. Anna heißt. Am 25. Dezember 1525 wurde in St. Anna das erste evangelische Abendmahl gefeiert. Nur fünf Tage später, am 30. Dezember vor 500 Jahren, starb Jakob Fugger. Der strikte Reformationsgegner fand ausgerechnet in einer evangelischen Kirche seine letzte Ruhe.
Bestattet sei er aber nach katholischem Ritus, sagt der evangelische Pfarrer der Annakirche, der Augsburger Dekan Frank Kreiselmeier. Die Fuggerkapelle selbst ist bis heute katholisch und wird von der Fuggerschen Stiftungs-Administration verwaltet. Die Augsburger Annakirche ist damit eine absolute Besonderheit: Simultankirchen, die gemeinsam von Katholiken und Evangelischen genutzt werden, gibt es inzwischen zuhauf. Eine evangelische Kirche, in der eine katholische Kapelle untergebracht ist, dürfte aber einzigartig in Deutschland sein. Eine Konstellation, die Kreiselmeier zu schätzen weiß. Über die Jahrhunderte sei ein starkes ökumenisches Miteinander gewachsen, sagt er. Das bestätigt auch die Familie Fugger. Das Miteinander sei von einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit geprägt, sagt Sophie Dost von den Fuggerschen Stiftungen.
Jakob Fugger habe in seinem Testament vorsorglich festgehalten, dass die Fuggerkapelle in ihrem Wesen und ihrer religiösen und baulichen Gestalt erhalten bleiben solle, sagt Dost. Über eine Stiftung sei die Kapelle der Familie Fugger zugeordnet und damit ein „geschützter Raum“ geblieben. Möglich sei das aber nur gewesen, weil die Fugger auf dem Stiftungscharakter beharrt hätten und die evangelische Gemeinde sich „in hohem Maße“ pragmatisch gezeigt habe. Über die Jahrhunderte habe sich ein erstaunlich flexibles Miteinander entwickelt. So durfte die evangelische Gemeinde die Orgel nutzen und zeitweise sogar den Kapellenraum. Und Mitglieder der Familie Fugger nehmen bis heute regelmäßig an wichtigen Gottesdiensten und Veranstaltungen in St. Anna teil. „Insgesamt lässt sich sagen: St. Anna ist trotz konfessioneller Brüche immer ein Ort geblieben, an dem Pragmatismus, Respekt und das Bewahren des kulturellen Erbes im Vordergrund stehen“, sagt Dost.
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Titel: Eine Bronzebüste Jakob Fuggers in der Fuggerei in Augsburg.
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Die Annakirche war ursprünglich katholisch. 1321 erbauten Karmeliten ein Kloster und eine Kirche, die nach einem Brand wiederaufgebaut und über die Jahrhunderte erweitert wurde. Während der Reformation spielte St. Anna eine wichtige Rolle: Im Oktober 1518 wurde der Augustinermönch und Reformator Martin Luther (1483-1546) nach Augsburg zitiert. Dort sollte er in den Fuggerhäusern vor dem päpstlichen Gesandten Kardinal Cajetan seine 95 Thesen, die er im Jahr zuvor veröffentlicht hatte und in denen er kirchliche Missstände anprangerte, widerrufen. Luther weigerte sich. Während seines knapp zweiwöchigen Aufenthalts in Augsburg wohnte er im Karmelitenkloster St. Anna. Daher dürfte er auch die Fuggerkapelle zu Gesicht bekommen haben, die Jakob Fugger ab 1509 in St. Anna unter großem Aufwand bauen ließ. Von den Ereignissen damals erzählt auch das Museum Lutherstiege, das seit 1983 in St. Anna untergebracht ist.
Jakob Fugger habe einen tiefen Glauben gehabt und wollte daher Gott ein schönes Haus bauen, sagt Dekan Kreiselmeier. Zugleich habe er durch einen spektakulären Sakral-Bau auch das Renommee seiner Familie zeigen wollen. Die Fuggerkapelle ist eine der ersten Renaissance-Bauten Deutschlands, die Entwürfe stammen von keinem Geringeren als dem Nürnberger Künstler Albrecht Dürer (1481-1528). Renovierungskosten, wie etwa bei der letzten Generalsanierung der Kapelle im Jahr 2009, trägt grundsätzlich die Familie Fugger, sagt Dost. Der für die Fuggerkapelle zuständige Pfarrer von St. Moritz, Helmut Haug, findet solche klaren Zuständigkeiten wichtig für ein gutes Miteinander der Konfessionen. Trotz aller Glaubenskriege über die Jahrhunderte habe man sich in St. Anna immer um ein friedliches Nebeneinander bemüht. Daraus sei bis heute ein wunderschönes ökumenisches Miteinander geworden, für das man nur dankbar sein könne, sagt Haug.
Die Familie Fugger hält das Andenken an ihre Vorfahren bis heute in Ehren: Neben privaten Gottesdiensten oder Taufen gibt es jedes Jahr ein feierliches Requiem zum Todestag von Jakob Fugger. Am 500. Todestag (30. Dezember) ist in diesem Jahr in St. Anna und in der Fuggerkapelle ein Gedenkgottesdienst mit dem Augsburger Bischof Bertram Meier und anschließendem Staatsempfang geplant. (3241/20.10.2025)