Ein Ohrenschmaus zum 85. Geburtstag
Tag für Tag Baulärm – das Ehepaar Eckhardt aus Bad Neuenahr – Ahrweiler leidet immer noch unter dem Hochwasser an der Ahr im Juli 2021. „Nach langer Evakuierung konnten wir unser Haus wieder beziehen, aber drumherum ist immer noch vieles zerstört“, erzählt das Ehepaar. Sie führten ein Leben inmitten von Baustellen.
Für Werner Eckhardt war daher klar, dass er seiner Frau zum 85. Geburtstag eine besondere Freude machen wollte. In der Zeitung las er von einem Adele-Gottesdienst in der Heidelberger Heiliggeistkirche. In den seit 2015 stattfindenden Gottesdiensten der Reihe „Citykirche Rock ‘n’ Pop“ dreht sich die Predigt immer um einen Pop- oder Rockstar und seine Religiosität. Da seine Frau auch ein großer Adele-Fan ist, bemühte er sich umgehend um eine Reservierung.
Nun sitzen sie am Sonntag in dem mehr als zwei Stunden Fahrzeit entfernten Gottesdienst. Sie lauschen der Stimme der Hamburger Sängerin Tine Wiechmann und ihrer Band. Sieben Hits der Pop-Ikone hat Wiechmann gesungen, darunter „Hello“ und „Skyfall“. Sie hören auch, wie Citykirchenpfarrer Vincenzo Petracca in seiner Predigt dem Glauben der britischen Sängerin nachspürt. „Adele hat den evangelikalen Glauben ihrer Kindheit zu einer flüssigen Spiritualität umgewandelt“, erklärt Petracca mit Verweis auf Interviews von Adele. Ihre Spiritualität sei losgelöst von Regeln und Vorschriften.
Dabei habe sie einen ausgeprägten Glauben an himmlische Mächte und sei tief in der christlichen Gedankenwelt verankert, erläuterte Petracca. So seien in ihren Liedern immer wieder christliche Gedanken und Bibelzitate zu finden. „Ihr Song ‘Skyfall’ atmet beispielsweise die neutestamentliche Apokalyptik, wie wir sie in der Offenbarung des Johannes finden“, so der Theologe. In ‘Rolling in the Deep’ habe sie ein Zitat des Apostels Paulus verarbeitet. Der Gottesdienst trug den Titel „Oh my God“ – nach dem gleichnamigen Adele-Song.
Mit zwei Taylor-Swift-Gottesdiensten im Mai hatte die Evangelische Kirche in Heidelberg bereits für Aufsehen gesorgt. Damals waren ebenfalls mehr als 1.000 Besucher in die 600 Jahre alte Heiliggeistkirche gekommen. Nicht nur Medien in Deutschland, sondern auch international hatten über die ungewöhnlichen Gottesdienste berichtet.
Nach den Taylor-Swift-Gottesdiensten waren die Reservierungen für den Adele-Gottesdienst um 11 Uhr schnell ausgebucht. Daher hatte die Kirche noch einen zweiten Gottesdienst für 13 Uhr angeboten. Im ersten Gottesdienst sitzen Menschen aller Art – Kinder, Senioren, Schwangere, einzelne Männer oder ganze Familien. Beim letzten von Wiechmann gesungenen Lied „Rolling in the Deep“ können alle mitsingen und tanzen. Eine Stuttgarterin sagt danach, der Gottesdienst sei „großartig“ gewesen, eine Heidelbergerin fand es „sehr schön.“ Das Geburtstagskind Brigitta Eckhardt sagt, sie sei ganz gerührt von dem Ohrenschmaus.
Im kommenden Frühjahr soll die Reihe „Citykirche Rock ‘n’ Pop“ weitergehen. Welche Star-Musik dann nach Heidelberg lockt, ist noch offen.(2138/22.09.2024)