Ein Jubiläum mit einem Rätsel

Niemand weiß, wie alt der Ratzeburger Dom wirklich ist. Trotzdem feiert die Kirchengemeinde an diesem Wochenende den 850. Geburtstag der prächtigen Basilika auf der Domhalbinsel.

Der Ratzeburger Dom zählt zu den ältesten Gebäuden in Schleswig-Holsteins
Der Ratzeburger Dom zählt zu den ältesten Gebäuden in Schleswig-HolsteinsNadine Heggen / epd

Ratzeburg. Mit einem Festprogramm wollen die Ratzeburger am Sonntag, 19. September, den 850. Geburtstag ihres Doms feiern. Das Jubiläum sollte eigentlich schon 2020 stattfinden, war coronabedingt aber verschoben worden. Fakt ist aber: Wie alt der Ratzeburger Dom wirklich ist, weiß niemand so genau. Dennoch war 1170 irgendwie ein wichtiges Datum in der Geschichte – und das muss gefeiert werden, findet die Kirchengemeinde.

Der Ratzeburger Dom auf der malerischen Altstadtinsel zählt zu den ältesten Gebäuden Schleswig-Holsteins und wurde von Herzog Heinrich dem Löwen gestiftet. Das zumindest ist unstrittig. Das Online-Lexikon Wikipedia datiert die Grundsteinlegung auf den 11. August 1154. Demnach wäre der Dom aber schon 866 Jahre alt. „Das Datum stimmt definitiv nicht“, sagte Domprobst Gert-Axel Reuß: 1154 sei erstmal auf dem Reichstag von Worms das Bistum gegründet worden. Anhand von Dokumenten zum Lübecker Dom müsse die Grundsteinlegung in Ratzeburg später erfolgt sein, vermutlich zwischen 1160 und 1170.

Was Ansverus mit dem Jubiläum zu tun hat

Dass nun 1170 bei den Jubiläumsfeierlichkeiten als Gründungsdatum des Ratzeburger Doms angenommen wird, hat laut Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg mit dem Märtyrer Ansverus (1038-1066) zu tun. Seine Gebeine wurden 1170 in den Ratzeburger Dom überführt.

Blick in den Ratzeburger Dom
Blick in den Ratzeburger DomNadine Heggen /epd

„Mit der Deponierung dieser Reliquien im Altar war der Dom nach mittelalterlicher Auffassung geweiht und seitdem fanden Gottesdienste im Dom statt, auch wenn dieser noch nicht fertig gebaut war“, sagte Claudia Tanck, Archivarin des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Mitten auf einer riesigen Baustelle begann also vor 851 Jahren das kirchliche Leben mit den Mönchen des Prämonstratenser-Orden, die das Kloster rund um den Dom aufbauten. 1220 wurde er fertig gestellt.

Die jüngere Geschichte des Doms, der jährlich 100.000 Touristen anzieht, lässt sich eindeutiger nachvollziehen. 1554 verkaufte ihn der evangelische Bischof Christoph von der Schulenburg für 10.000 Taler an den Herzog von Mecklenburg. Erst 1937 wurde die Domhalbinsel politisch der preußischen Provinz Schleswig-Holstein zugeschlagen.

Nordkirche feierte ihre Gründung im Dom

Kirchlich blieb der Dom jedoch weiterhin aus alter Tradition mecklenburgisch, während die anderen Ratzeburger Stadtkirchen Teil der Schleswig-Holsteinischen und später der Nordelbischen Kirche waren. Während der deutschen Teilung blieb die Landeskirche Mecklenburg formal für den Dom zuständig, das Geld für die Unterhaltung des Doms und die Kirchenmusik kam seit 1980 von der Nordelbischen Kirche. Nach der Wende wurde diese Praxis 1997 von beiden Landeskirchen vertraglich fixiert.

Am 1. Januar 2017 wurde er Teil des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Traditionell gilt der Ratzeburger Dom als Bindeglied zwischen Ost und West, liegt er doch nur fünf Kilometer von der ehemaligen DDR-Grenze entfernt. So wurde hier am 5. Februar 2009 der Fusionsvertrag zur Nordkirche unterzeichnet, 2012 feierten mehr als 12.000 Menschen rund um den Dom mit Bundespräsident Joachim Gauck das Gründungsfest der Nordkirche. „Hier fließen Identitäten zusammen, das Lauenburgische und das Mecklenburgische“, sagte Reuß. „Wir gehören zum Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, das Mecklenburgische wird aber immer das Salz in der Suppe sein.“

Bischöfin kommt zum Jubiläum

Wenn Bischöfin Kirsten Fehrs am Sonntag, 19. September, allerdings zum Festgottesdienst kommt, wird sie den Ratzeburger Dom nicht in seiner ganzen Pracht sehen. Der 48 Meter hohe Turm der dreischiffigen Backstein-Basilika ist eingerüstet, die Mauerfugen müssen saniert werden. (epd)

Info
Der Festtag beginnt mit einem Gottesdienst um 11 Uhr, in dem Mozarts „Missa brevis B-Dur“ erklingen wird. Um 13 Uhr gibt es eine Podiumsdiskussion mit Bischöfin Fehrs, dem Prämonstratensermönch Pater Ulrich und Jytte Hollweg, Studentin der Religionspädagogik, zur Zukunft der Kirche. Um 12.30 Uhr und um 14 Uhr gibt es Turmführungen. Für Kinder werden zwischen 13 und 15 Uhr Mitmachaktionen angeboten.