Ein Hörfenster für Blinde

Blinde Menschen brauchen besondere Unterstützung zur Teilhabe am Leben der Kirche. Ein Hörmagazin informiert und stiftet Gemeindeleben seit nunmehr 25 Jahren.

Blindenpastor Andreas Chrzanowski spricht einen Hörfenster-Text im Studio ein.
Blindenpastor Andreas Chrzanowski spricht einen Hörfenster-Text im Studio ein.privat

Hannover. Angefangen hat alles mit 60 Tonkassetten, die in einem zeitaufwendigen Verfahren von einer "Mutterkassette" kopiert und anschließend in wattierten Briefumschlägen verschickt wurden.
Heute sind es bereits 350 CDs, die professionell gebrannt und immer noch per Post an ihre Empfängerinnen und Empfänger versandt werden: Das "Hörfenster" der Blindenseelsorge in der hannoverschen Landeskirche gibt es seit 25 Jahren.

"Angeregt durch verschiedene Hörmagazine für Blinde, die es damals bereits gab, rief ich vor 25 Jahren ein kleines Redaktionsteam zusammen", erinnert sich Pastor i. R. Werner Humberg, damals Blindenseelsorger und Initiator des Hörfensters. Wunsch des Redaktionsteams war es, dass blinde und sehbehinderte Menschen die Texte in Zusammenarbeit mit Sehenden nicht nur auswählen, sondern sie auch vor dem Mikrofon selbst lesen sollten.

Ohne Ehrenamtliche kein Programm

Im Landeskirchenamt warb der Blindenseelsorger um ideelle und finanzielle Unterstützung – gewährt wurde ihm nur Erstere. Allerdings stellten der Evangelische Pressedienst und die Evangelische Zeitung Nachrichten und Beiträge kostenfrei zur Nutzung zur Verfügung und der Evangelische Kirchenfunk half mit Studiozeit sowie redaktionellem und technischem Knowhow. "Ohne die teilweise ehrenamtliche Tätigkeit von Mitarbeitern des Kirchenfunks wäre die Produktion damals kaum möglich gewesen", erinnert sich Werner Humberg.
Die Inhalte des Magazins wurden während der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte nur behutsam angepasst: Nach wie vor sind im Hörfenster Berichte aus Kirche und Blindenseelsorge zu finden, dabei werden regelmäßig ethische und Glaubensfragen diskutiert. Wichtig sind den Redakteurinnen und Redakteuren auch die Andacht, der Blick über den kirchlichen Tellerrand hinaus und eine Bandbreite, die sowohl junge wie auch ältere Menschen anspricht.

MP3-Dateien lösen CDs ab

Humbergs Nachfolger, Pastor i.R. Bernd Schliephake, der heute Vorsitzender des Christlichen Blindendienstes Niedersachsen-Bremen ist, erinnert sich noch gut an die Diskussionen, die geführt wurden, als das Hörfenster von der Tonkassette auf CD umstellte: Ältere Menschen könnten mit dieser Technik nicht umgehen, wurde damals befürchtet.
Eine ähnliche Diskussion steht auch zurzeit wieder ins Haus: Geplant wird der elektronische Versand des Magazins, etwa in Form von MP3-Dateien – noch aber sei die CD erste Wahl, sagt Blindenpastor Andreas Chrzanowski, heute Redaktionsleiter des Hörfensters.
Der Landeskirchliche Beauftragte für Blinden- und Sehbehindertenseelsorge schreibt einen Teil der Texte selbst und liest sie auch selbst vor dem Mikrofon. "Dabei sind die Finger, die über das Blindenpapier gleiten, auf der Aufnahme zu hören", erzählt er. Nach ersten Befürchtungen, dies könnte die Qualität der Aufnahme beeinträchtigen, glaubt er nun, dass sie im Gegenteil sogar mehr Authentizität gewinnt.

Viel Lob für die hohe Qualität des Magazins

Mehr als in den Anfangsjahren haben die heutigen Ausgaben des Hörfensters auch Hörspielcharakter: Gut vorbereitete Sprecherinnen und Sprecher versammeln sich im kleinen Tonstudio, das Andreas Chrzanowski in seiner Wohnung eingerichtet hat, und erfüllen die Texte mit Leben.
Toningenieur Detlef Splitt, als freier Mitarbeiter seit mehr als sieben Jahren bei jeder Produktion dabei, hat großen Anteil an der hohen Qualität des Hörmagazins: Er ist nicht nur Herr über die Regler am Mischpult, sondern auch Produzent. "Er gibt uns wichtige Tipps zu unserer Sprechweise, zur Betonung und zu den Pausen", erzählt Diakonin Elke Wilke, die seit vielen Jahren zum siebenköpfigen Team der Sprecherinnen und Sprecher gehört.
Bundesweit gibt es viel Lob für die Qualität des Magazins, das als aktuell, lebendig, informativ und unterhaltsam wahrgenommen wird. "Aus dem Hörfenster heraus hat sich eine Art Gemeinde entwickelt", erzählt Blindenseelsorger Chrzanowski. "Aus dieser Gemeinde bekommen wir viele Rückmeldungen zu unserer Arbeit – meistens sind es positive".
Im Tonstudio an der Knochenhauerstraße in Hannover wurde jetzt eine Jubiläumsausgabe des Hörfensters produziert, die einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Hörmagazins für blinde Menschen wirft. EZ

Das kostenlose Hörfenster erscheint viermal jährlich unter www.blindenseelsorge.org.