Ein großer Roman

„Monster wie wir“ blickt auf eine Familie in der DDR – und auf ihre Abgründe. Ulrike Almut Sandigt zeigt darin bemerkenswerte Erzählkunst.

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Ruth lernen wir zuerst kennen. Sie und ihren Bruder, dann die Mutter und den Vater, den Ruth Pap nennt, einen Pastor, dem die Obrigkeit zusetzt. Wir sind in der DDR, auch wenn der Staat wankt und schwankt, schlägt er noch zu, so wie auch die Kinder und die Frau zuweilen eine Tracht Prügel abbekommen. Passiert, ist nicht böse gemeint.

Und den Großvater nicht zu vergessen, ein dunkles Gespenst, kriegstraumatisiert, das vor dem Radio sitzt, in die Welt horcht, auf die Enkelin wartet, dem es in den Hals beißen wird, wenn sie auf seinem Schoß sitzt. Nur die Mutter wundert sich: Vampire? Was sind denn das für Geschichten? Wo hat das Kind das her?

„Lieber Gott, hörst du mich?“

Und Victor lernen wir kennen, bald Ruths bester Freund, sein Vater ist bei der NVA, fährt einen forschen Jeep, fährt die Kinder damit zur Schule. Nur dass Victor noch einen Onkel hat, der gern abends und über Nacht auf ihn aufpasst, ihn dann nackig auszieht. „Lieber Gott“, betet Victor, „hörst du mich?“

Von Gewalt erzählt dieser große Roman; groß, weil er sich das Recht herausnimmt, das dunkle Feld der sexuellen Gewalt auf eine Weise zu erkunden, die so gar nichts Didaktisch-Erklärendes und Verschämtes hat. Vielmehr entwirft Ulrike Almut Sandig eine dystopische Familienwelt, in der das Groteske und das Komische des Schreckens seinen Platz hat, getragen von großer Erzähl- und Formulierkunst. Denn was wäre, wenn das Unrecht ganz allein alles Wahrzunehmende und alles Handeln besetzt? Wenn es das Einzige wäre, was bliebe?

Ulrike Almut Sandig:  Monster wie wir.
Schöffling & Co 2020.

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