Ein Gottesdienst für eine versteckte Krankheit

Im Hamburger Stadtteil St. Georg gibt es seit Langem einen Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag. Jetzt soll auch in Glinde einer stattfinden – dank eines engagierten Bürgers.

Beim Candle Light Walk in Hamburg-St.Georg formen die Teilnehmer die Aids-Schleife aus Kerzen
Beim Candle Light Walk in Hamburg-St.Georg formen die Teilnehmer die Aids-Schleife aus KerzenAidsseelsorge

Glinde. Zum ersten Mal gibt es auch im Hamburger Umland einen Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag: Am Mittwoch, 1. Dezember, um 18 Uhr wird er in der St.-Johannes-Kirche in Glinde gefeiert. Traditionell wird der Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag in der Hamburger Gemeinde St. Georg begangen, das Angebot in Glinde kommt nun dazu. Die Kirchen­gemeinde St. Johannes und die Hamburger Aids-Seelsorge gestalten den Gottesdienst gemeinsam – in Solidarität mit Infizierten und Erkrankten weltweit.

Mit dabei ist auch Tobias Reimann, der die Idee dazu hatte. Ihm ist es ein Anliegen, dass diejenigen, die eine queere Lebensweise gewählt haben, Ansprache und Verständnis finden. Deshalb bietet er ehrenamtlich und auf eigene Initiative regelmäßig Beratungen an, um Menschen zu zeigen, wo sie kostenlose Aids-Tests oder Antworten auf ihre Fragen bekommen können.

Regenbogenflagge gehisst

„Ich engagiere mich in Glinde und war dabei, als in diesem Jahr zum ersten Mal die Regenbogenflagge im Ort gehisst wurde“, erzählt Reimann. „Da habe ich mir gedacht, dass man doch auch mal den Welt-Aids-Tag in Glinde mit einem Gottesdienst begehen könnte.“ Reimann betont, es sei ihm wichtig, keine Konkurrenzveranstaltung zu St. Georg zu etablieren, sondern ein Zusatzangebot nach Glinde zu holen. „Deshalb feiern wir den Gottesdienst in Glinde nicht am 30. November, sondern am 1. Dezember.“

Aidseelsorge

Als er seine Idee Pastor Thomas Lienau-Becker von der Aids-Seelsorge und Pastor Sören Neumann-Holbeck von der St.-Johannes-Gemeinde vortrug, fand er bei den Theologen ein offenes Ohr. „Sie waren gleich einverstanden und gestalten den theologischen Teil, ich werde meinerseits mit einem Stand mit Broschüren zur Beratung dabei sein.“ Den Welt-Aids-Tag hat der Glinder schon zwei Mal mitgemacht. „Aids geht alle an“, sagt er, „nicht nur in Hamburg, sondern auch am Hamburger Rand.“

Ein Gottesdienst setzt ein Zeichen, dass man keine Angst haben muss“, findet Reimann. Menschen mit Aids würden nach wie vor diskriminiert, außerdem gerate das Thema angesichts der Pandemie derzeit aus dem Blick. „Man darf Menschen nicht ausgrenzen und soll sie weiterhin in die Gemeinschaft aufnehmen. Für den Gedanken ist eine Andacht der angemessene Rahmen.“

Nicht aus Gesellschaft verschwunden

Davon ist auch Glindes Pastor überzeugt. „Ich finde einen Aids-Gottesdienst eine gute Idee“, sagt Sören Neumann-Holbeck. Er hat in seiner Biografie einen Bezug dazu, denn er kennt die Gemeinde St. Georg. „Meine erste Pfarrstelle war ein Jahr Vertretung in der Kirchengemeinde St. Georg, damals habe ich das Thema kennengelernt. Das ist ein spannendes Thema, zu dem ich vorher nie einen Bezug hatte.“ Aids sei heutzutage eine versteckte Krankheit, über die niemand spreche und die aufgrund neuer Therapien auch behandelbar sei. Deshalb sei sie aber nicht aus der Gesellschaft verschwunden. Den Gottesdienst gestalte er gemeinsam mit der Hamburger Aids-Seelsorge, weil dort die Kompetenz für das Thema ist.

Pastor Neumann-Holbeck freut sich, dass die Premiere außerhalb St. Georgs in seiner Glinder Kirchengemeinde stattfindet. „Ich weiß noch nicht, was daraus wird, ob es ein einmaliges Angebot ist oder wiederholt wird. Auf jeden Fall soll es ein Gottesdienst für alle werden.“ Dabei stehe das Thema Aids im Mittelpunkt, der Gottesdienst solle aber so angelegt werden, dass es für jeden einen Erkenntnisgewinn gebe, aus dem man Kraft schöpfen könne. „Der Gottesdienst wird auch gestreamt, sodass Menschen, die den Gottesdienst nicht live besuchen, ihn trotzdem miterleben können. Auf diese Weise erreicht man immer noch Menschen, an denen er sonst vorbeiginge.“

Not kommt überall hin

„Der Gottesdienst in Glinde wird eine Gemeinschaftsproduktion“, erklärt auch Pastor Thomas Lienau-Becker von der Hamburger Aids-Seelsorge. „Ich finde es ganz toll, dass Glinde das Thema Aids aufnimmt.“ Es gehe dabei um Menschen, die nach wie vor ausgegrenzt würden. Dabei sei das Thema nah an allen dran. „In einer globalisierten Welt kommt die Not überall hin. Von daher ist dieser Gottesdienst ein ganz besonderes Angebot.“

Info
Eine Anmeldung zum Gottesdienst am 1. Dezember um 18 Uhr in der St.-Johannes-Kirche in Glinde, Willinghusener Weg 69, ist hier erforderlich. Auch telefonisch unter 040/89 70 83 10 ist eine Anmeldung möglich. Am Dienstag, 30. November, findet ein Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag mit Bischöfin Fehrs in der Dreieinigkeitskirche, St. Georgs Kirchhof 18, statt. Anschließend beginnt ein Candle-Light-Walk, ein Lichterzug zum Gedenken an die Folgen von Aids.