Ein Gegengewicht zu der Macht der Herzöge

Im Mittelalter verbreitet, sind sie europaweit nur noch in Niedersachsens erhalten: die sogenannten „Landschaften“. Sie bildeten einen Gegenpol zur Herrschaft der Herzöge. In Celle wirft eine Ausstellung an ihrem Beispiel grundlegende Fragen auf.

Museumsleiterin Juliane Schmieglitz- Otten am interaktiven Touch-Screen
Museumsleiterin Juliane Schmieglitz- Otten am interaktiven Touch-ScreenHarald Koch / epd

Celle. Als erstes fällt kostbares Silber ins Auge. „Ein sehr prunkvoller Auftakt“, sagt Museumsleiterin Juliane Schmieglitz-Otten beim Rundgang durch die neue Dauerausstellung „Herrschaft und Landschaft – Macht und Teihabe“ im Celler Schloss. Hinter Glas stehen zwei reich verzierte Pokale und ein Tischbrunnen. Im 17. Jahrhundert überreichten Bürger diese Huldigungsgaben an die Celler Herzöge. Doch so uneingeschränkt, wie diese Stücke es erscheinen lassen, war die Macht der Herzöge nicht, sagt Schmieglitz-Otten. Die historischen „Landschaften“, in denen sich ritterlicher Adel, Klerus und Vertreter der Städte zusammentaten, bildeten einen Gegenpart.

Die Ausstellung des Residenzmuseums will aus neuer Perspektive auf die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg blicken und damit grundlegende Fragen von Mitbestimmung auch in der heutigen Demokratie aufwerfen. Dabei stehen die „Landschaften“ im Mittelpunkt. Das am besten erhaltene Welfenschloss in Niedersachsen erwecke oft den Eindruck, die Herzöge seien absolute Herrscher gewesen, sagt Schmieglitz-Otten. „Das war aber nicht so.“

Wurzel des Parlamentarismus

Gab es die ständischen Interessensvertretungen früher überall, sind „Landschaften“ heute europaweit nur noch in Niedersachsen zu finden. Im Gebiet des vormaligen Königreiches Hannover widmen sich die noch sechs Landschaften vorwiegend der Kulturförderung und tragen die VGH-Versicherungen. Die Geschichte der Landschaften sei auch eine der Wurzeln des heutigen Parlamentarismus, sagt Museumsleiterin Schmieglitz-Otten. „Von ihren ersten Landtagen im Mittelalter bis zu den demokratisch legitimierten Parlamenten heutiger Zeit war es ein langer und keineswegs kontinuierlicher Weg.“

Auch das Pferd, das Wappentier Niedersachsens, ist in der Ausstellung zu sehen
Auch das Pferd, das Wappentier Niedersachsens, ist in der Ausstellung zu sehenHarald Koch / epd

Diese Spannung soll die Ausstellung vermitteln, die in sechs Stationen Brücken von der Historie zur Gegenwart schlägt. „Recht“, „Finanzen“ und „Bildung“ kennzeichnen dabei die Pfeiler der Macht, die am Beispiel der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg illustriert werden. In einer Gründungsurkunde von 1392, der „Lüneburger Sate“, billigte Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg der Landschaft gegen Geld bestimmte Rechte zu. Als sich Dietrich von Mandelsloh als einflussreichster Vertreter später weigerte, den Vertrag aufzukündigen, erstach der Herzog ihn. Dem Beispiel für das Recht des Stärkeren im Mittelalter steht in der Ausstellung eine Mitmachstation zur Bedeutung des Grundgesetzes gegenüber.

Geld war der Weg zur Beteilung an der Macht, das symbolisieren auch eine historische Geldtruhe und eine Forke der Bauern mit zwei metallenen Zinken. „90 Prozent der Bevölkerung haben hart gearbeitet, von der Macht aber waren sie ausgeschlossen“, sagt Schmieglitz-Otten. Auf sogenannten Landtagen berieten dagegen die Mitglieder der Landschaft gemeinsam mit dem Landesherrn und seinen Beamten.

Wenn der Nutzer zum Finanzminister wird

„Heute ist das Gemeinwohl ein ganz wichtiges Prinzip bei der Verwendung der Steuern“, sagt die Museumsleiterin. Dass auch dabei Grenzen gesetzt sind, macht ein interaktives Spiel deutlich, bei dem Nutzer den Bundeshaushalt an Ministerien verteilen können. An der Station „Finanzen“ prangt zudem der Kühlergrill eines Volkswagens. Auch ohne weiteren Kommentar rege das im Automobil-Land Niedersachsen zum Nachdenken an, ist die Museumsdirektorin überzeugt.

Die neue Ausstellung ist zugleich ein außerschulischer Lernort. Ihr ist ein Raum für Diskussionen angeschlossen, in dem an Computern Informationen noch einmal nachgelesen, aber auch Kommentare hinterlassen werden können. Auch online sind Inhalte abrufbar. Bei der Eröffnung am Mittwoch sprach neben Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) auch der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister. Meister ist auch Abt des evangelischen Klosters Loccum bei Nienburg. Mit der Reformation schieden generell die Kirchenvertreter aus den Landschaften aus. Mit einer Ausnahme: In der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft ist der Loccumer Abt bis heute vertreten. (epd)