Liveline-Gottesdienste: Ein Format für die Zukunft

Jeden Sonntag senden der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und die Gemeinde St.Jürgen gemeinsam auf Youtube. Das Gottesdienst-Format ist während des ersten Lockdowns entstanden – und zu einem langfristigen Projekt geworden.

Kamera läuft! Pastor Heiko von Kiedrowski bei der Übertragung des Gottesdienstes
Kamera läuft! Pastor Heiko von Kiedrowski bei der Übertragung des GottesdienstesGuido Kollmeier

Die Premiere war ein Schnellschuss – innerhalb von zwei Tagen auf die Beine gestellt. An einem Freitag Mitte März des vergangenen Jahres empfahl die Nordkirche ihren Gemeinden, vorerst auf Gottesdienste zu verzichten. Kurz darauf entschied der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg: Wenigstens digital wollen wir zusammenkommen! Und so feierte Pröpstin Petra Kallies am Sonntag auf Youtube zusammen mit der Lübecker Gemeinde St. Jürgen, die wegen ihres jährlichen Live-Streams des Krippenspiels schon etwas Erfahrung hatte.

Ein Jahr später ist aus der erfolgreichen Premiere längst ein etabliertes Projekt geworden, das den Namen „Liveline“ trägt. Jeden Sonntag senden die Lübecker einen digitalen Gottesdienst, die Videos werden bei Youtube tausendfach geklickt. Einmal pro Monat übernimmt der Fernsehsender BibelTV die Übertragung aus Lübeck. Im vergangenen Juni entschieden der Kirchenkreis und die Gemeinde St. Jürgen, mit den Gottesdiensten langfristig weiterzumachen – und zwar drei Jahre lang.

Online-Gemeinde soll entstehen

Mit ins Boot geholt wurde Thomas Waldner als Projektkoordinator für das Cross-Media-Management. Er leitet in Lübeck eine Kommunikationsagentur und war bei den „Liveline“-Gottesdiensten schon zuvor ehrenamtlich als Aufnahmeleiter dabei. Die Social-Media-Managerin Philine Eidt aus seiner Agentur soll eine Online-Gemeinde aufbauen.

 

Als ehemaliger ZDF-Mitarbeiter machte Waldner gleich einen Vorschlag: Wir brauchen Anchors, also Gesichter, die stets wiederkehren. Das sind jetzt die Gemeindepastoren Heiko und Katja von Kiedrowski, die jeden Sonntag dabei sind.

„Der Gottesdienst ist viel aufwendiger als ein analoger“, sagt Katja von Kiedrowski. Am Montag fangen die beiden mit der konkreten Planung an: Welche Lieder sollen gesungen werden? Worum geht es in der Predigt – und wer hält sie? Denn unterstützt wird das Duo von den anderen Pastoren aus der Gemeinde und von Pröpstin Kallies. Vikarina Juliane Ost absolvierte am vergangenen Sonntag sogar ihren Examensgottesdienst auf der Youtube-Bühne. Auch Bischöfin Kirsten Fehrs war schon zu Gast. Auch mit Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt sei man in Kontakt, doch ihr Kalender sei sehr voll, sagt Waldner.

Predigt ohne Besucher

Es sei zunächst ungewohnt gewesen, in einer Kirche ohne Besucher zu predigen, berichtet Heiko von Kiedrowski. Doch es habe geholfen, dass die Bänke entfernt worden seien und viele Ecken der Kirche für die Übertragung genutzt würden. Und so leer ist die Kirche auch gar nicht. Etwa 25 ehrenamtliche Helfer sind an jedem Sonntag dabei – als Techniker, Kameraleute oder Maskenbildner. Auch eine Gebärdendolmetscherin ist mit von der Partie. Viele der Helfer sind Jugendliche. „Sie werden so an die Kirche gebunden“, freut sich Waldner.

Fürbitten kommen via Chat

Am Computer sitzt während der Gottesdienste Social-Media-Managerin Philine Eidt, die den Kontakt zu den Zuschauern hält – via Whats App, E-Mail und im Chat bei Youtube. „Die Interaktivität macht einen großen Teil des Erfolgs aus“, ist sie sich sicher. Die Zuschauer können ihre Gebetsanliegen nach Lübeck schicken, die Fürbitten werden dann live im Gottesdienst vorgelesen. „Da haben wir schon oft berührende Momente erlebt“, sagt Pastorin von Kiedrowski.

Etwa 50 Leute zählt Liveline zu seiner Kerngemeinde. Sie seien jede Woche dabei, erzählt Philine Eidt. Am Sonntag um 10 Uhr zählt Youtube rund 500 Besucher, vermutlich aber mehr, weil Paare und Familien gemeinsam digitalen Gottesdienst feiern. Im Lauf der folgenden Tage werden die Videos bis zu 2000 Mal abgerufen, Zugriffe werden auch aus Norwegen, von der spanischen Insel La Palma und aus Nigeria registriert.

Und was passiert nach der Pandemie? Einen Einbruch der Zuschauerzahlen befürchten die Verantwortlichen jedenfalls nicht. „Als im vergangenen Sommer Gottesdienste erlaubt waren, ist unsere Gemeinde uns treu geblieben“, sagt Waldner. Wenn die Pandemie wieder regelmäßige analoge Gottesdienste zulässt, sollen die Liveline-Gottesdienste laut Pastor von Kiedrowski noch einmal im Monat gesendet werden. Zwischendurch sind aufgezeichnete Andachten mit Live-Elementen geplant. Der direkte Austausch sei ein großes Anliegen der Gemeinde.

Nur ein Wunsch bleibt offen

Nur einen Wunsch mussten die Liveline-Macher ihren Zuschauern bislang ausschlagen. Es wäre doch mal schön, sich leibhaftig zu treffen, hatten einige vorgeschlagen. Diese Idee haben die Lübecker wegen des Kontaktverbots erst einmal zurückgestellt – aber für später im Hinterkopf behalten.