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“Dracula – Die Auferstehung” – Rauschhafte Neuverfilmung

Rauschhafte Neuverfilmung des “Dracula”-Stoffes um den zur Unsterblichkeit verdammten Vampir, der über die Jahrhunderte nach einer Wiedergeburt seiner geliebten verstorbenen Frau sucht.

Die Puppen tanzen für den Prinzen der Walachei. In allen Ballsälen Europas scharen sich die Damen um den Mann, der sich Vlad II., den der Rest der Welt aber meist Dracula (Caleb Landry Jones) nennt. Zum Schnipsen seiner Finger kreisen die in quasi unendliche Farb- und Stoffvielfalt gehüllten Damen in atemberaubenden Choreographien um den Mann, der seit Jahrhunderten durch Europa zieht.

Er aber sucht nur eine Frau. Das Aphrodisiakum, das er aufträgt, ist seine über die Jahrhunderte entwickelte Methode, möglichst effizient die Frauenwelt Europas zu durchforsten, um die Reinkarnation seiner geliebten Frau Elisabeta (Zoë Bleu) zu finden, die er kurz nach der Heirat verlor.

Es geht also um die Liebe. Wiederauferstehung, aristokratischer Blutdurst und der ewige Schlaf sind, wie Bram Stokers Romanvorlage selbst, Nebensache für Filmemacher Luc Besson. Sein Dracula, im englischen deutlich treffender als “A Love Tale” untertitelt, ist weniger Neuverfilmung als ein ultra-opulenter Remix, dessen deutlichster Einfluss eben nicht die zahlreichen “Nosferatu”-Verfilmungen sind, sondern Francis Ford Coppolas “Dracula” (1992).

So beginnt die Geschichte im Ehebett des noch jungen Prinzen. Seine Feldherren donnern verzweifelt an die Schlafzimmertür, während Elisabeta und der Prinz ihre Flitterwochen ausleben. In einer schier endlosen Montage stemmt sich das Paar, einander noch nackt umklammernd, gegen die Tür, an die der Krieg klopft.

Ewig aber lässt sich dieser Krieg nicht aussperren. Dem noch nackten Prinzen wird bald die Rüstung angelegt, er selbst von den Lippen der Angebeteten weggezerrt. Vlad, der Liebhaber, wird Vlad, der Kriegsherr. Der oberste Geistliche schwört ihn und seine Generäle auf den Kampf gegen die gottlosen Invasoren ein. Der Prinz hat es nicht so mit Gott, aber wenn er schon für ihn Krieg führen muss, verlangt er, dass besagter Gott in dieser Zeit wenigstens seine Braut beschützen möge.

Draculas Heer siegt. Elisabeta stirbt. Der Geistliche kann nur Worte des Trosts sprechen: Elisabeta sei eine reine Seele, Gott werde sich ihrer annehmen. Vlad wird ihn noch in der Kapelle mit seinem Bischofsstab pfählen. Es ist seine Nachricht an Gott: Sein Leben gehöre nicht mehr ihm. Vlad, der Liebhaber, wird Dracula, das Monster. Mit dem Fluch der Unsterblichkeit wandelt der Graf durch die Jahrhunderte, für immer auf der Suche nach seiner Elisabeta, in der Hoffnung, dass sie, die reinste aller Seelen, eines Tages wiedergeboren wird.

400 Jahre später ist der Graf noch immer erfolglos. Ein Mann aber ist ihm nun auf den Fersen: Ein namenloser Priester (Christoph Waltz), der im Auftrag des Vatikans in Paris aufkreuzt, um den seltsamen Fall der jungen Maria (Matilda De Angelis) zu untersuchen. Die junge Frau habe einen Durst auf Blut entwickelt. Fast noch absonderlicher erscheint dem berichtenden Arzt aber ihr plötzlicher sexueller Appetit.

Der Mann aus dem Vatikan kennt die Diagnose bereits und zeigt weder Angst vor Maria noch vor ihren Gelüsten. Der Priester ist der Mann, der Draculas Bild von Gott zurechtrücken soll, zur Not mit dem eigens dafür geschmiedeten Pflock. Zugleich ist er der progressivste Mann, der in Paris zu Zeiten der Aufklärung unterwegs ist.

Dracula ist zu diesem Zeitpunkt nur noch ein Schatten seiner selbst. Er hat die Pest wüten sehen, ist selbst wieder und wieder aus dem höchsten Turm seines Schlosses in den Tod gestürzt (und wieder erwacht), und sitzt nun ausgezehrt in seinen eigenen vier Wänden. Der Weg dorthin ist – wie überhaupt alles in Bessons Film – ein völlig ehrfurchtsloses Feuerwerk, das weder vor dem Allmächtigen noch vor sonst irgendetwas zurückschreckt. Jesusfiguren weinen Blut, ein Feld aus Fangeisen wird der Ort einer mittelalterlichen Verfolgungsjagd, untersetzte Wasserspeier gehen auf rumänische Uniformträger los – Bildgewalt in allen Farben und Formen.

Caleb Landry Jones orchestriert mit breitem Akzent und stechenden Augen den Wahnsinn, bis alle und der Film selbst sich zu überheben scheinen und gänzlich den Halt zu verlieren drohen, den die lange Traditionslinie des berühmten Vampirs bieten sollte. Sie drohen, mit der bildgewaltigen Ekstase zusammenzufallen, die Besson hier inszeniert, finden aber letztlich doch Halt in den Kräften, die alles verschlingen und doch alles zusammenhalten: Liebe und Wahn.