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“Downton Abbey” – Das große Finale ist sentimental und freudig

“Downton Abbey: Das große Finale” ist der dritte und letzte Teil der Filmreihe um das symbiotische Miteinander derer “da oben” und “da unten” auf einem britischen Adelssitz zu Beginn der 1930er Jahre.

Alle im Umfeld des Landsitzes Downton Abbey wussten, dass die Scheidung zwischen Lady Mary Talbot Crawley (Michelle Dockery) und ihrem Ehemann Henry (Matthew Goode) nur eine Frage der Zeit war. Doch als die Nachricht ausgerechnet an dem Abend in den Zeitungen steht, als Robert Crawley Earl of Grantham (Hugh Bonneville) samt Gattin Cora (Elizabeth McGovern) und den beiden Töchtern Edith (Laura Carmichael) und Mary auf dem Empfang von Lady Petersfield (Joely Richardson) dem Höhepunkt der Londoner Ball-Saison entgegentanzen, schlägt die Titelstory wie eine Bombe ein.

Eine geschiedene Frau im Saal ist nicht nur im Hinblick auf den zu erwartenden königlichen Besuch ein unhaltbarer Zustand – und Lady Mary deshalb fortan eine “unerwünschte Person”. Die 1930er Jahre sind zwar noch jung, und die Welt ist in den gehobenen Kreisen noch in Ordnung. Doch die englische Etikette ist so altmodisch wie unbarmherzig. Deshalb ziehen sich dunkle Wolken zusammen.

Nach dem Start einer neuen Ära und dem Ausflug ins sonnenüberflutete Südfrankreich in “Downton Abbey II” muss der dritte und letzte Teil des Kinoablegers der Fernsehserie “Downton Abbey” (2010-2015) zwangsläufig mit einem Paukenschlag beginnen. Die Crawleys waren ohnehin gerade dabei, Grantham House wieder Richtung Yorkshire und ihrer beschaulich gelegenen Trutzburg Downton Abbey zu verlassen. Doch auch auf dem Land verbreiten sich schlechte Nachrichten schnell, und Mary weiß, dass eine verheiratete Frau ohne Mann in den gehobenen Kreisen wie eine Aussätzige behandelt wird.

Was aber bedeutet das für die Pläne des Earl of Grantham, der seiner Tochter als Nachfolgerin die Verantwortung über den Familiensitz übertragen wollte? Die Crawleys wären nicht der ebenso angesehene wie unerschrockene Clan, den die jüngst verstorbene Dowager Countess of Grantham (Maggie Smith) aus ihm gemacht hat, wenn sie als Familie nicht auch dieser Unbill kämpferisch-listenreich begegnen würden. Es sind ein großes Dinner sowie eine Landwirtschaftsausstellung, die für die Zukunft der Familie von entscheidender Bedeutung sein werden.

Das bei der Fernsehserie “Das Haus am Eaton Place” (1971-1975) entlehnte Erfolgsrezept von “Downton Abbey” besteht nicht nur im Betrachten der Krisen und Krönungen der gehobenen Adelsschicht, sondern im Verfolgen der katalytischen Wirkungen auf jene, die für die scheinbar immerwährende Sorglosigkeit der Herrschaften verantwortlich zeichnen. “Upstairs, Downstairs”, wie die Serie im Original heißt, bestimmt auch in “Downton Abbey” das Prozedere. Die Dramen und Freuden im Salon sind nicht das einzige Spannungsmoment, sondern ebenso jene im Souterrain der Küchen und Kammern, bei den Butlern und Zofen. Beides sind tragende Säulen der Dramaturgie.

Neben den Tragödien von Mary Talbot Crawley sind die des Chefbutlers Charles Carson (Jim Carter) und seiner Lebensgefährtin, der Hausdame Elsie (Phyllis Logan), die der Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol) und ihrem Lehrling Daisy Parker (Sophie McShera) oder die der obersten Zofe Anna Bates (Joanne Froggatt) und ihrem Mann und Kammerdiener John (Brendan Coyle) mindestens genauso wichtig.

Während der Ex-Butler Mr. Carson einfach nicht seinen Ruhestand genießen will und seinem Nachfolger Andy Parker (Michael Fox) immer wieder in die Parade fährt, und Mrs. Patmore weiß, dass ihre einst so verschüchterte Gehilfin das große Dinner mit Gästen aus dem Showgeschäft schon bewältigen wird, braucht Lady Mary für ihre Reputation nicht nur alle Hilfe der Crawleys. Sondern auch die Eingebungen von Elsie und Anna, um ihren alten Stand wiederzuerlangen.

Ein Serienformat lebt von seinem Stammpersonal, blüht aber vor allem durch Gäste und Neuankömmlinge auf. So erhält Cora Crawley nicht ganz erquicklichen Besuch von ihrem in den USA lebenden Bruder Harold Levinson (Paul Giamatti). In seinem Schlepptau: der Womanizer und Geschäftsmann Gus Sambrook (Alessandro Nivola), der Mary tüchtig den Kopf verdreht. Diese und andere Gäste und Neuankömmlinge verhelfen auch dem finalen Teil im Kino zu einem würdigen, erhebenden “Grand Finale”.

Im Unterschied zu “Downton Abbey II: Eine neue Ära”, der mit der Verlegung nach Südfrankreich und den Aufregungen um Downton Abbey als Schauplatz einer Hollywood-Filmproduktion ein wenig zerfahren wirkte, findet im letzten Teil der Reihe alles wieder wohlig zusammen. Das “My Home is my Castle”-Gefühl vermittelt die Gewissheit, dass am Ende alle bei einer Tasse Tee im Salon wieder zusammensitzen. Dieses Konzept der “perfekten Weltflucht” mag seltsam wirken, aber es vermittelt auch in unsicheren Zeiten ein Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit.

Deshalb sehnt man sich auch in diesem Teil nach Rettern, die sich ausgerechnet als jene Neuankömmlinge entpuppen, die in “Downton Abbey II: Eine neue Ära” die (ungeliebte) Moderne ins Haus gebracht haben. Gleich im Prolog des finalen Teils sitzen die Herrschaften in der Loge und die Bediensteten im Parkett und lauschen in London den Klängen von Noël Cowards Operette “Bitter Sweet”.

Nach der Vorstellung treffen sie den Autor (Arty Froushan) und dessen Bekannten Guy Dexter (Dominic West), der bei den Dreharbeiten in Downton Abbey für Aufregung sorgte – und überdies den Butler Thomas Barrow (Robert James-Collier) als (Lebens-)Partner entführte. Diese drei sind es dann, die den letzten Wirrungen auf “Downton Abbey” eine entscheidende Wendung geben.

Der Titel der 1929 uraufgeführten Operette “Bitter Sweet” verschafft dem Film nicht nur die eine oder andere Musikeinlage, sondern ist zugleich Programm. Denn es wird sentimental und traurig, wenn der Earl ein letztes Mal die trutzigen Mauern der Abbey berührt und auf sein Lebenswerk zurückschaut. Erhebend und genugtuend, wenn sich jene zusammenfinden, die zusammengehören. Und freudig und erregt, wenn klar wird, dass “Downton Abbey” zwar ein Ende findet, aber sich gleichsam mit neuem Leben und neuen Generationen füllt.