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DLRG lässt ihre Geschichte während der NS-Zeit aufarbeiten

Ihr Ziel ist die Rettung von Ertrinkenden. Das hat die DLRG allerdings nicht davor gerettet, zu einem Werkzeug der Nazis zu werden. Eine neue Studie gibt Auskunft.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat erstmals ihre Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus aufgearbeitet. Präsidentin Ute Vogt präsentierte am Mittwoch in Berlin das Buch “Zwischen Idealismus und NS-Ideologie”, in dem sechs Autorinnen und Autoren zentrale Ereignisse der Zeit zwischen 1925 und 1945 analysieren und die Haltung führender DLRG-Funktionäre zum Nationalsozialismus untersucht haben. Die Studie solle als Grundlage für weitere wissenschaftliche Arbeit dienen.

“Die Arbeit der Autoren zeigt eindrucksvoll, dass sich die Verantwortung einer großen Gemeinschaft wie der unseren nicht auf eine ehrenwerte Aufgabe wie die Rettung am und im Wasser begrenzen lässt”, sagte Vogt. Auch heute gebe es eine gesellschaftliche und politische Verantwortung. Für Menschenfeindlichkeit und Rassismus sei kein Platz in der DLRG.

Mitautorin Kerstin Teicher sagte, die 1913 gegründete Organisation habe nach einer massiven Krise in den Anfangsjahren der Weimarer Republik insbesondere nach 1933 einen starken Aufschwung genommen. Schon 1925 habe der Verband nach einem Neustart die Farben Schwarz-Weiß-Rot als Symbolfarben festgelegt. “Diese Farbwahl stellt angesichts dessen, dass damals Schwarz-Rot-Gold die offiziellen Farben der Republik waren und für demokratische Gesinnung standen, ein politisches Statement dar”, heißt es in der Studie.

Viele der Verantwortlichen, die sich in der Weimarer Republik als durchaus demokratisch gesinnte Vereinsführer mit hohen humanistischen Idealen gezeigt hätten, hätten sich auch nach 1933 aus Idealismus und Überzeugung einerseits massiv für die Lebensrettung eingesetzt, sagte Teicher weiter. Andererseits sei die DLRG mit “fliegenden Fahnen” dem NS-Regime entgegengekommen und habe innerhalb des Verbandes das “Führerprinzip” und – vorauseilend – den “Arierparagraphen” zum Ausschluss von Juden umgesetzt. Der erfolgreiche Sportfunktionär Theodor Lewald legte 1933 sein Amt als DLRG-Präsident nieder, da er nach der Definition der Nationalsozialisten als “Halb-Jude” galt.

Viele der auf Reichsebene führenden Funktionäre seien Mitläufer, einige sogar Mittäter gewesen, fügte Teicher hinzu. Sie verwies darauf, dass die DLRG vom NS-Staat profitiert und sich ideologisch in den Dienst der Volksgemeinschaft gestellt habe. So seien Schwimmkurse, Ausbildung von Lebensrettern und Lebensrettung vor allem damit begründet worden, die “deutsche Volkskraft und Wehrfähigkeit” zu erhalten.

Teicher verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass etwa die Zahl der Prüfungen zum Lebensretter von 30.000 im Jahr 1928 auf 960.000 im Jahr 1942 angestiegen sei. Dieser Anstieg sei vor allem durch die bewusste Einbindung von NS-Organisationen wie Hitler-Jugend, SA und SS sowie der Wehrmacht erreicht worden. Seit 1938 habe das Engagement der DLRG auch dem Ziel gegolten, zur Wehrertüchtigung der Bevölkerung und insbesondere der Soldaten beizutragen.

Als Beispiele für die Verstrickung führender DLRG-Funktionäre in NS-Verbrechen nannte Teicher den SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Franz Breithaupt, der nach Jahren im Vorstand 1944 zum “DLRG-Führer” ernannt wurde. Breithaupt war als Richter unter anderem am Todesurteil gegen die Geschwister Scholl beteiligt. Heinrich Franzmeyer, von 1936 bis 1945 oberster ärztlicher Beirat der DLRG, wirkte bei rassebiologischen Zwangssterilisationen mit.

Mit der Kapitulation Deutschlands wurde auch die DLRG zunächst aufgelöst. In der britischen und US-amerikanischen Besatzungszone konnten frühere DLRG-Mitglieder ihre Arbeit aber schon bald wieder aufnehmen. In der späteren DDR wurde die DLRG bis 1990 nicht erneut gegründet; die Wasserrettung übernahm das Deutsche Rote Kreuz.

Die DLRG war nach britischem Vorbild am 19. Oktober 1913 in Leipzig gegründet worden. Anlass war der Zusammenbruch einer Brücke im Seebad Binz, bei dem 1912 viele Menschen ins Meer stürzten und 16 Personen ums Leben kamen. Aufgaben der Organisation sind die Bekämpfung des Ertrinkungstods durch Aufklärung, Ausbildung im Schwimmen und Rettungsschwimmen, Organisation und Durchführung des Wasserrettungsdienstes sowie Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe.