Das minimalistische, auf sieben Tage im Jahr 1948 konzentrierte und teilweise fiktionalisierte Drama fühlt sich in den Charakter der charismatischen Heiligen ein. Teresa ist zu diesem Zeitpunkt Oberin eines Ordens in Kolkata, doch sie will ihrer Berufung folgen und sich ganz den Armen widmen. Als die dafür notwendige päpstliche Erlaubnis greifbar nah ist, wird sie mit einem Dilemma konfrontiert: Die von Teresa als mögliche Nachfolgerin betrachtete Schwester Agnes gesteht ihr, schwanger zu sein, wodurch Teresa mit den eigenen Sehnsüchten und Zweifeln konfrontiert und im Glauben an ihre eigene Rechtschaffenheit erschüttert wird. Noomi Rapace in der Hauptrolle ist furchterregend in ihrer Energie und unterdrückten Wut, der Punkrock-Soundtrack als kreativer Stilbruch verweist auf ihre innere Erschütterung. Wie kann Teresa, so mitfühlend bei unbekannten Armen, Agnes gegenüber so gnadenlos sein? Wie viel Eitelkeit steckt in ihrer Mission? Das dichte Porträt weist auf anregende Weise über die Persönlichkeit der Heiligen hinaus.
Regie: Teona Strugar Mitevska. Buch: Teona Strugar Mitevska, Goce Smilevski, Elma Tataragic. Mit: Noomi Rapace, Sylvia Hoeks, Nikola Ristanovski, Ekin Çorapçi. Länge: 103 Minuten. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): ab 12. (epd)
Die Villa, in der Familie Borg seit Generationen lebt, wird zu einem Minenfeld, als Gustav Borg (Stellan Skarsgård) nach dem Tod seiner Frau plötzlich in das Leben seiner Töchter Nora (Renate Reinsve) und Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) zurückkehrt. Besonders Nora hat ihm nie verziehen, dass er die Familie verließ. Gustav war einst ein berühmter Regisseur, hat aber lange keinen Spielfilm mehr realisiert. Jetzt will er sein Drehbuch über den Selbstmord seiner Mutter am Realschauplatz verfilmen, mit der gefeierten Bühnendarstellerin Nora in der Hauptrolle, die das brüsk ablehnt. Gustav engagiert daher einen Hollywoodstar (Elle Fanning), was nicht funktionieren will, sodass Nora doch noch einwilligt. Die Heimkehr in konfliktreiche Familienverhältnisse und das Spiel mit Film-im-Film-Irritationen könnte aus dem Handbuch des europäischen Autorenkinos stammen, dient hier aber als Sprungbrett einer Erzählfreude, die Vertrautes souverän neu sortiert und die Virtuosität von Drehbuchautor sowie Regisseur Joachim Trier in leisen Tönen offenbart.
Regie: Joachim Trier. Buch: Joachim Trier, Eskil Vogt. Mit: Renate Reinsve, Inga Ibsdotter Lilleaas, Stellan Skarsgård, Elle Fanning. Länge: 133 Minuten. FSK: ab 12. (epd)
In einem Bergarbeiterdorf in der nordchilenischen Atacama-Wüster Anfang der 1980er sind trans Frau Flamingo (Matías Catalán) und ihre queere Gemeinschaft die Außenseiter. Dort kursiert das Gerücht einer tödlichen Krankheit, die Männer trifft, die sich lieben, und die sich auch durch die Blicke homosexueller Männer und trans Frauen überträgt. Als Flamingo ermordet wird, will sich ihre elfjährige Ziehtochter Lidia (Tamara Cortés) rächen; aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt. Das Gespenst von Aids schwebt hier als Mythos über den Figuren, ohne je beim Namen genannt zu werden. Regisseur Diego Céspedes übersetzt das historische Trauma in ein queeres Märchen zwischen Coming-of-Age, Western-Mythos und Sozialdrama. In Cannes mit dem Großen Preis der Sektion Un Certain Regard ausgezeichnet, gelingt ihm ein Debüt voller Sinnlichkeit, Ambivalenz und Hoffnung, das queeres Begehren nicht als Leidensgeschichte, sondern als Form der Imagination und des kämpferischen Mitgefühls erzählt.
Regie und Buch: Diego Céspedes. Mit: Tamara Cortés, Matías Catalán, Paula Dinamarca, Claudia Cabezas, Luis Dubbó. Länge: 104 Minuten. FSK: ohne Angabe. (epd)
Eben war der betagte Larry noch mit seiner Frau bei einem Familienfest, im nächsten Moment sitzt er als junger Mann in einem Zug und fragt sich, wie er dahingekommen ist. Er ist gestorben und auf dem Weg ins Jenseits, denn hier tritt man die letzte Reise in dem Alter an, in dem man am glücklichsten war und muss sich für eine Ewigkeit ohne Widerrufsrecht entscheiden: Eine männerfreie Welt, ein kulinarisches Schlaraffenland, Strandurlaub oder für immer die Weimarer Republik, nur 100 Prozent nazifrei? Larry bereitet alles für die Ankunft seiner krebskranken Frau vor, doch dann kommt ihr erster Ehemann dazwischen, der im Koreakrieg fiel und sie seitdem sehnlichst erwartet. Sie muss sich vor Ort zwischen dem Prickeln einer unerfüllten Liebe und der Vertrautheit eines langen gemeinsamen Lebens entscheiden. Eine RomCom mit etwas umständlichen Wendungen, aber einer Fülle gewitzter Ideen.
Regie: David Freyne. Buch: Pat Cunnane, David Freyne. Mit: Miles Teller, Elizabeth Olsen, Callum Turner, Da’Vine Joy Randolph. Länge: 112 Minuten. FSK: ab 6. (epd)