Diese Puppen helfen bei der Trauer

Ein kleines Unternehmen aus Niedersachsen näht Kuscheltiere aus der Kleidung geliebter Menschen. Mit den Mama-Papa-Puppen, kurz Mapapu, werden Trennungskinder und Hinterbliebene getröstet. Auch Demenzkranke können von den Mapapus profitieren.

Jede Mama-Papa-Puppe erzählt ihre eigene Geschichte
Jede Mama-Papa-Puppe erzählt ihre eigene GeschichteKatharina Hagen

Tostedt-Neddernhof. Jennifer Arndt-Lind sitzt an ihrem Arbeitstisch in der Nähwerkstatt. Stich für Stich näht sie ein weinrotes Ohr an einen „Mapapu“ – ein etwa 45 Zentimeter großes Kuscheltier, das an ein Nilpferd erinnert. Rund 550 dieser kunterbunten Gestalten sind in den vergangenen Jahren in der Manufaktur entstanden.
Den ersten „Mapapu“ hat die 39-Jährige vor acht Jahren angefertigt. Nachdem Jennifer Arndt-Lind gemeinsam mit ihrem neuen Mann Hendrik das erste Kind bekommen hatte, waren die Kinder, die beide aus vorherigen Beziehungen mitbrachten, verunsichert. „Da wollte ich Jule und Emil etwas mitgeben“, erinnert sich Jennifer „damit sie beide Eltern immer bei sich haben können.“ Also nähte sie aus einem ihrer T-Shirts und einem Shirt ihres Ex-Partners eine Mama-Papa-Puppe, kurz Mapapu, zusammen. Damals gaben die Kuscheltiere ihren Kindern Halt, heute trösten „Mapapus“ vor allem Hinterbliebene.

Aufträge auch aus Südafrika und Südkorea

Aus den Kleidern eines Verstorbenen fertigte Jennifer Arndt-Lind zum ersten Mal ein Kuscheltier, als es einen Todesfall im Bekanntenkreis gab: Um dem trauernden Geschwisterkind zu helfen, schenkte sie ihm einen „Mapapu“. Das Kuscheltier war eine greifbare Erinnerung an den Bruder, trug es doch seinen vertrauten Geruch und erinnerte durch den Stoff an ihn. Als die gelernte Friseurin erlebte, wie sehr das Kuscheltier bei der Trauer half, dachte sie „Welche Kraft die haben – das muss einfach raus in die Welt!“
Im Herbst 2013 gründete Jennifer Arndt-Lind mit ihrem Mann ein kleines Unternehmen: In ihrem Haus in Tostedt-Neddernhof (Landkreis Harburg) richteten sie eine Werkstatt ein. Dort stellt Jennifer die Kuscheltiere her, während Hendrik Lind sich um Buchhaltung und Vertrieb der Seelentröster kümmert. Bei dem 43-Jährigen gehen Aufträge aus ganz Deutschland, aber auch aus der Schweiz, Südafrika und sogar Südkorea ein. Unter den Bestellungen sind „Mapapus“ für Trennungskinder und Täuflinge; 90 Prozent der Kuscheltiere werden allerdings als Erinnerung an einen Verstorbenen bestellt.
Bei jedem „Mapapu“ nimmt sich Hendrik Lind die Zeit, um die „Herzensgeschichte“ hinter der Bestellung herauszufinden. „Wenn wir wissen, warum und für wen dieser ‚Mapapu‘ auf die Welt kommt, sind wir mit einer ganz anderen Energie dabei", erklärt Arndt-Lind.

Die Mapapus erzählen von Liebe

Etwa zwölf Stunden braucht seine Frau, um ein Einzelstück anzufertigen, 220 Euro kostet eine Puppe. Einem Mapapu näht sie einen Regenbogen auf die Brust, einem anderen schmückt ein Superman den Bauch. Doch egal, wie ein „Mapapu“ aussieht, oder aus welchem Grund er entsteht, sie alle haben eines gemeinsam: „Jeder Mapapu erzählt von Liebe“, sagt Jennifer Arndt-Lind.
Diese Überzeugung gibt ihr Kraft bei der Arbeit – denn die vielen traurigen Schicksale gehen nicht spurlos an den „Mapapu“-Schöpfern vorbei. „Wenn wir die Geschichten hören, müssen wir oft weinen“, räumt die Jennifer Arndt-Lind ein. So erging es ihr auch vor einiger Zeit, als Post aus Haltern ankam: T-Shirts von den Schülern des Joseph-König-Gymnasiums, die bei der Flugzeugkatastrophe im März des verganenen Jahres ums Leben kamen. Hendrik Lind besuchte früher selbst das Gymnasium und hatte Kontakt zur dortigen evangelischen Kirchengemeinde aufgenommen. Gemeinsam beschlossen sie, die Geschwister der Opfer mit „Mapapus“ zu beschenken. Während der Pastor sich vor Ort kümmert, sucht Hendrik Lind gerade Unterstützer, die die Kosten für die Produktion übernehmen.

Mapapus – ein Anker ins alte Leben

Das Potenzial, das in den Kuscheltieren steckt, haben auch schon andere erkannt: Die Johanniter setzen die Seelentröster zum Beispiel in der Trauergruppe Lacrima ein, und ein Verein aus der Schweiz vermittelt „Mapapu“-Patenschaften. Gerade lotet das Ehepaar aus, ob die Kuscheltiere auch bei Demenz helfen können. Ärzte und Therapeuten hätten sie darauf hingewiesen, dass die „Mapapus“ Erinnerungen wecken könnten, wenn der Stoff den Geruch der Angehörigen oder des bekannten Waschmittels trage. Über diesen  Zuhause-Geruch „entsteht in Sekunde 1 diese Mapapu-Verbindung“, glaubt Hendrik Lind, „und das ist einfach ein Anker ins alte Leben, den wir in die Welt bringen können.“
Info
Information und Bestellung im Internet unter www.mapapu.de
Dort können sich auch Menschen melden, die für die Haltern-„Mapapus“ spenden wollen.