Dienen wir Deutschland?

Ein Slogan an den Autos der Bundeswehr bringt Ulrike Fendler zum Nachdenken. Sie ist Militärpfarrerin für das Militärpfarramt Leer und das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede.

Rolf Zöllner / epd

Kürzlich war ich mit meinem Dienstwagen unterwegs und wurde, nachdem ich am Zielort einen Parkplatz gefunden hatte, von einem Mann angesprochen. Er bezog sich auf die Beschriftung, die bei allen Autos der Bundeswehr an der Seite aufgedruckt ist. Wir.Dienen.Deutschland. „Sie dienen Deutschland?“, fragte er. Seine Skepsis gegenüber diesem Slogan war nicht zu überhören. „Sie etwa nicht?“, konterte ich zunächst etwas forsch, war mir dann aber schnell darüber im Klaren, dass man diesen Slogan natürlich tatsächlich auch kritisch sehen kann. Dem eigenen Land zu dienen, kann leicht in die Ecke von Nationalismus und bedingungs­losem Gehorsam gestellt werden. Solche Zeiten hat es immerhin bei uns auch schon gegeben.

Auch die Militärseelsorge hat einen Slogan. Der lautet: „Domini sumus“, zu deutsch: „Wir sind des Herrn“, oder freier übersetzt: „Wir gehören zu Gott“. Erst später fiel mir ein, dass dieses Motto als wichtige Ergänzung und Korrektur des Bundeswehrspruchs ja bei jedem unserer Dienstwagens zu finden ist: oben rechts auf der Windschutzscheibe befindet sich ein solcher Aufkleber.

Die frohe Botschaft

„Domini sumus“, so verstehen wir in der Militärseelsorge Tätigen uns in diesem Amt: als Dienende gewiss, aber in erster Linie als Diener Gottes. Wir fühlen uns der frohen Botschaft des Evangeliums verpflichtet und wollen gegenüber den Soldatinnen und Soldaten genau dafür einstehen. Wir vermitteln ihnen den Trost, der darin steckt. Wir begleiten sie seelsorglich und gottesdienstlich an den Übergängen des Lebens. Wir diskutieren mit ihnen über ethische Themen. Wir halten lebendig, dass Jesus nachfolgen auch einmal heißen kann: Widersprechen und sich verweigern. Die Bundeswehr räumt uns diese Art von Dienst tatsächlich bewusst ein. Wir stehen außerhalb der Hierarchie und bekommen auch beim höchsten Dienstgrad unmittelbar einen Gesprächstermin, wenn wir darum bitten, um uns für die Belange eines Soldaten einzusetzen.

Ich glaube, dass man Gott gar nicht abstrakt dienen kann. Auch nicht durch Gebete und religiöse Zeremonien allein. Gott dienen heißt vor allem, den Menschen dienen, ihnen helfen, für sie da sein, Schwierigkeiten und Ratlosigkeit notfalls auch gemeinsam mit ihnen aushalten. Und wenn wir das innerhalb der Bundeswehr tun, dann dienen wir in irgendeiner Weise wohl auch Deutschland. In einer Weise aber, die gerade nicht militärische Entscheidungen rechtfertigen oder die eigene Nation überhöhen will. Wir dienen Gott, indem wir Menschen begleiten, die im System Wir.Dienen.Deutschland ihren Arbeits- und oft ihren Lebensmittelpunkt haben, die darin aufgehen und manchmal auch daran verzweifeln.

Das hätte ich dem Mann antworten sollen, der mich seinerzeit kritisch auf die Beschriftung meines Dienstwagens angesprochen hat. Und vielleicht wäre ein etwas größerer, auffälligerer Aufkleber sinnvoll: „Domini sumus“.

Unsere Autorin
Ulrike Fendler ist Militärpfarrerin für das Militärpfarramt Leer und das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede.