Die Weihnachtsgeschichte auf einer Kugel

Die Geschichte von der Geburt Jesu hat es Louis Pfeiffer angetan. Mit winzigen Buchstaben schreibt er sie akribisch auf dünne Glaskugeln für den Christbaum – in einer Hand die Kugel, in der anderen den Lackstift.

Louis Pfeiffer und seine kleinen Kunstwerke
Louis Pfeiffer und seine kleinen KunstwerkeTristan Vankann / epd

Oldenburg. Louis Pfeiffer gibt sich jeden Tag eine Kugel – genau eine. Bequem auf dem Sofa sitzend, schreibt er dann mit einem extrem dünnen weißen Lackstift winzig kleine Buchstaben auf die hauchdünne rotglänzende Weihnachtskugel. "Freunde nennen mich auch den Kugel-Schreiber", sagt er lachend.
Rund anderthalb Stunden benötigt der 67-jährige Rentner aus Oldenburg, um die ganze Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium auf eine sechs, acht oder neun Zentimeter große Christbaumkugel zu schreiben. Ausgedruckt bei normaler Schriftgröße wäre das eine ganze DIN-A4-Seite.
"Auf Hochdeutsch und Ammerländer Platt kann ich die Geschichte auswendig schreiben", erzählt der frühere Medienberater, ohne von seiner filigranen Arbeit aufzublicken. Beim Scheiben dreht er die Kugel in der hohlen Hand immer wieder ein Stück weiter. Langsam aber sicher windet sich die stetig länger werdende Buchstabenspirale von der Spitze mit dem Krönchen zum Aufhängen bis zum "Südpol" der Kugel. Schon als kleiner Junge habe er sehr klein geschrieben und ein Faible für Kalligrafie entwickelt, erzählt Pfeiffer.

Mehr als 1.500 Kugeln beschrieben

Eine Freundin schenkte ihm vor sieben Jahren eine handbeschriebene Weihnachtskugel. Doch beim genauen Lesen stellte Pfeiffer fest, dass die Geschichte nicht vollständig war und zum Ende hin immer fantasievoller wurde. "Das hatte nichts mehr mit der Bibel zu tun." Da habe er sich gedacht: "Das kann ich besser." Nach zehn bis zwölf Versuchen und diversen Stiften hatte er den Dreh raus. Fortan war er "Der Herr der Kugeln".
Mittlerweile dürfte Pfeiffer weit mehr als 1.500 Kugeln beschrieben und zum großen Teil verkauft haben. Bei den traditionellen Kunsthandwerksbasaren der Region in der Adventszeit ist er stets dabei. "Da kommen Leute, die mich bitten, eine Kugel mit Geschichten, Gedichten oder in anderen Sprachen zu beschreiben." Englisch, Französisch und Spanisch sowie Ostfriesen- und Norderneyer Platt sind kein Problem. Pfeiffer hat sich die entsprechenden Übersetzungen besorgt. Neu in seinem Sortiment sind Kugeln mit dem "Vater unser". 

Wie Christen in der Türkei versorgt werden

Und doch gibt es echte Herausforderungen. Eine der jüngsten liegt fertig vor ihm auf dem Tisch: "O günlerde Sezar Avgustus bütün Roma dünyasiden…" beginnt der Text. "Ja glauben Sie, dass es in der Türkei keine Christen gibt?" Pfeiffer nimmt jede Herausforderung an. "Das wird nie langweilig." Für eine Kundin bringt er gerade die Weihnachtsgeschichte in brasilianischem Portugiesisch auf die runde Form. Auch Weihnachtsmärchen hat er schon geschrieben – als Fortsetzungsgeschichte auf vier Kugeln.
"Eigentlich müsste die Kirche mich dafür bezahlen, wie ich das Wort Gottes in die Welt bringe", sagt er schmunzelnd und wird wieder ernst. Auf den Basaren erlebe er immer wieder, dass Kinder und Jugendliche ihn fragen, was er auf die Kugeln schreibt. "Viele wissen nichts von der biblischen Geschichte, kennen die Geschichte von Jesu Geburt im Stall nicht." Dann könne er nur mit dem Kopf schütteln.

Nur zwei Kugeln zerdrückt

"Es gab Zeiten, da haben mir die Kugeln und die Weihnachtsgeschichte seelischen Halt gegeben", sagt Pfeiffer. Zwei Jahre hat er seine krebskranke Frau bis zu ihrem Tod vor fast fünf Jahren gepflegt. "Eine schwere Zeit." Die Kugel, die über ihrem Krankenbett hing, hängt heute an der Lampe über dem Couchtisch. "Da konnte ich etwas mit meinen Händen tun. Außerdem behielt ich so meine sozialen Kontakte."
In all den Jahren habe er nur zwei Kugeln zerdrückt, berichtet Pfeiffer stolz. Sorge bereite ihm nur, dass der vermutlich letzte Glaskugelbläser im thüringischen Lauscha seinen Betrieb aufgegeben hat. Das ganze Jahr über sucht er nun Kugeln aus der Insolvenzmasse. "Die Billigkugeln aus China sind nicht schön und oft aus Plastik, die mag ich nicht." In einem Dachzimmer verwahrt er nun seine Vorräte. Dort stapeln sich in Kisten und Kartons mehr als 3.000 rote, goldene und silberfarbene Kugeln. "Das sollte erst mal reichen." (epd)