Die Urne soll ins Wohnzimmer

Der Friedhof galt bisher als letzte Ruhestätte eines Verstorbenen. Die Piraten-Partei in Kiel will das ändern. Künftig soll es erlaubt sein, die Asche der Toten auf privatem Gelände zu verstreuen. Nicht nur die Nordkirche ist skeptisch.

Hinterbliebene sollen die Urne künftig auf dem eigenen Grundstük aufbewahren dürfen
Hinterbliebene sollen die Urne künftig auf dem eigenen Grundstük aufbewahren dürfenVerena N. / Pixelio

Kiel. Wie, wann und wo darf ein Mensch bestattet werden? Was ist mit Pietät und Würde im Umgang mit dem Verstorbenen vereinbar? Diese Themen bewegen derzeit die Gemüter in Schleswig-Holstein. Bisher gilt der Friedhofszwang: Er sieht vor, dass die menschlichen Überreste Verstorbener, gleichgültig ob Asche oder Leichnam, nur auf Friedhöfen beigesetzt werden dürfen. Als Ausnahme davon ist zum einen die Bestattung einer Urne unter Bäumen möglich, wenn der Wald als Friedwald gewidmet ist. Zum anderen werden in Schleswig-Holstein Seebestattungen vollzogen, bei der die Asche ins Meer gestreut wird. Doch auf dem Kaminsims darf die Urne aufgrund der Bestattungspflicht nicht stehen.
Ein neuer Gesetzentwurf soll diese Beschränkungen teils aufheben. Uli Koenig von der Kieler Piraten-Fraktion ist maßgeblich an dem Projekt beteiligt. „Wir wollen mehr Freiheit im Jenseits“, so der Politiker. Er verweist auf eine Studie des Vereins „Aeternitas“ von 2013, der zufolge neun Prozent der Bundesbürger sich das eigene Haus oder den Garten als letzte Ruhestätte für ihre Urne wünschen. In mehr als 70 Prozent der Fälle findet bereits heute eine Feuerbestattung statt. Die Asche könnte zukünftig, wenn der Verstorbene dies verfügt hat und die örtliche Gemeinde zustimmt, bis zu zwei Jahre von den Hinterbliebenen aufbewahrt und anschließend auf privatem Grundstück verstreut werden. Koenig: „Wenn Angehörige Abschied nehmen, ist das etwas sehr Individuelles. Es ist nicht an uns, den Menschen vorzuschreiben, wie sie trauern.“

Nordkirche lehnt Vorschlag ab

Die kommunalpolitische Sprecherin der CDU, Petra Nicolaisen, sieht den Vorstoß der Piraten kritisch. „Für mich ist der Entwurf mit der Würde eines Verstorbenen nicht vereinbar. Es geht bei einem würdigen Umgang mit sterblichen Überresten um weit mehr als die Frage, ob Omas Asche auf dem Kaminsims stehen darf. Was passiert eigentlich mit einer Urne und damit den sterblichen Überresten eines Menschen, wenn bei Streit in der Familie ein Partner unvermittelt auszieht? Was ist im Fall einer Wohnungsräumung nach dem Tod eines Menschen, der die Urne eines Angehörigen in der Wohnung hat?“
Die Nordkirche lehnt den Gesetzentwurf ab. „Aus unserer Sicht stehen die Seelsorge an Trauernden, soziale Aspekte sowie die Würde der Verstorbenen und die öffentliche Kultur im Umgang mit Tod und Trauer im Vordergrund“, so Sprecher Stefan Döbler. Beim Aufbewahren der Urne im eigenen Haus oder beim Verstreuen der Asche auf privatem Grund wäre kein freier Zugang für alle Trauernden zum Ort der Beisetzung gewährleistet. „Das wäre in vielen Fällen sehr schmerzlich für Zurückbleibende. Diesen Ort würden nicht nur die engsten Angehörigen besuchen wollen, denen das Grundstück gehört, sondern auch Freunde, Kollegen, ehemalige Partner“, so Döbler. Auch unter sozialen Gesichtspunkten sei die Möglichkeit, die Asche von Verstorbenen an einem privaten Ort auszubringen, abzulehnen. „Sie könnte dazu führen, dass finanziell nicht gut gestellten Personen dies ‚nahegelegt‘ würde, um den Angehörigen Kosten zu ersparen.“

Piraten: Einbußen für Friedhöfe möglich

Beschließt der Landtag den Gesetzentwurf, könnte das für die Träger der Friedhöfe wirtschaftliche Einbußen bedeuten. Das will Uli Koenig nicht ausschließen. Aber: „Finanzielle Fragen können kein Argument dafür sein, das Selbstbestimmungsrecht eines Verstorbenen zu beschneiden.“