Die Posaunenchöre entdecken Alternativen
Während der Pandemie haben es die Posaunisten nicht leicht. Doch sie finden Alternativen mit Abstand – auf der Elbe oder im Kuhstall.
Lauenburg. Wegen der Pandemie können Posaunenchöre seit Monaten nicht mehr wie gewohnt proben und auftreten, um gemeinsam zu musizieren. „Die Stimmung ist nicht verheerend schlecht – aber geprägt von einer großen Verunsicherung“, sagt Landesposaunenwart Daniel Rau, der die Posaunenarbeit in Schleswig-Holstein gemeinsam mit Werner Petersen koordiniert. Es geht um die Passion von rund 3000 Posaunisten in 140 Chören zwischen Nord- und Ostsee.
Erst vor Kurzem hatten sich zahlreiche Blechbläser in Gülzow im Kreis Herzogtum-Lauenburg getroffen, um an zwei Tagen gemeinsam und unter freiem Himmel zu proben – krönender Abschluss war ein Konzert beiderseits des Elbufers auf der Höhe von Lauenburg. Rau dirigierte vom Boot aus: „Es war eine wunderschöne Atmosphäre – und ging besser als gedacht, das Wasser hat den Schall gut getragen.“
Viele Einschränkungen
Proben und Konzerte wie diese an ungewöhnlichen Orten sind für die Posaunenchöre inzwischen beinahe Routine. Denn zwar ist das Proben in Räumen wieder erlaubt, aber nur mit Abstand: 2,5 Meter Abstand müssen zum Nebenmann eingehalten werden. Das funktioniere in manchen Gemeindehäusern, so Rau. Doch im Normalfall sorgten die Regeln für viele Einschränkungen.
So weichen die Posaunisten hierzulande etwa in einen umgebauten Kuhstall, in Autohäuser oder sogar in eine Halle aus, in der sonst Spargel verarbeitet wird. Auch auf dem Balkon, auf dem Friedhof und vom Kirchturm herab wird eifrig musiziert: „Die alten Traditionen geraten wieder mehr in den Fokus“, erläutert der Landesposaunenwart.
Verunsichert seien viele Mitglieder vor allem wegen der unterschiedlichen Gesetzeslage, die es in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt. „Auftritte in geschlossenen Räumen bleiben in Schleswig-Holstein verboten, das sorgt im Kontext der Regelungen anderer Bundesländer an mancher Stelle für Unverständnis“, so Rau.
Was ist mit dem Kondenswasser?
Die Musiker sind verpflichtet, das Kondenswasser, das beim Spielen der Posaunen entsteht, in regelmäßigen Abständen unter besonderen Hygiene-Regeln zu entsorgen. Ob das Wasser möglicherweise infektiös sein könnte, sei virologisch noch nicht geklärt, so Rau. Diese Ungewissheit spiele nicht nur bei den Musikern, auch bei den Zuhörern eine Rolle. „Das schwebt als psychologischer Aspekt schon im Raum“, sagt der Posaunenwart.
Musikalisch gesehen „torpedierten“ die Regelungen die Proben, denn die Schallverzögerung sei schon rein körperlich spürbar, macht Rau deutlich. Er ist zufrieden, dass sich manche Posaunenchöre treffen, ohne zu musizieren. „Jetzt merken wir, wie kostbar das selbstverständlich Geglaubte tatsächlich ist – und hoffen, in eine stabile Phase zu kommen.“
Eigenes Konzept für jeden Chor
In Bezug auf die Nachwuchsarbeit benötige ein Chorleiter nun beispielswiese sieben statt bisher eines Zeitfensters im Gemeindehaus. Dennoch gebe es weiterhin Proben für Jugendliche. „Die Ehrenamtlichen bei uns leben und brennen für ihre Arbeit – und erhalten auch Wertschätzung dafür zurück“, so Rau.
Zugleich gebe es eine große Wachsamkeit, mit dem Thema verantwortlich umzugehen. Jeder Chor müsse ein eigenes Konzept entwickeln und es mit dem Kirchengemeinderat abstimmen. Kirchengemeinde und Posaunenchöre nähmen ihre Verantwortung sehr ernst. Spielt etwa ein Ensemble vor einem Seniorenheim, muss jemand Sorge tragen, dass sich nicht zu viel Publikum versammelt. Das hat allerdings auch Folgen: „Die Unbeschwertheit eines Platzkonzerts ist einer umfassenden Organisation vor jedem Auftritt gewichen“, schildert Rau.
Weihnachten in der Planung
Apropos Auftritt: Weihnachten und Posaunenmusik – das gehört zusammen. Doch wie wird es an diesem Fest? „Wir versuchen, präsent zu sein – man muss sehen, was zumutbar ist“, sagt Rau. Überregionale Konzerte werden nicht stattfinden, denn Abstandsregeln schränken die Auftrittsmöglichkeiten stark ein. Möglich sind kleine Veranstaltungen vor Ort. „Der Anspruch ist hoch. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich viele engagieren werden. Denn Gemeinschaft und Kirchenmusik – das sind die Schwerpunkte, die uns verbinden.“