Die Pastorin, die American Football liebt

Am Sonnabend trägt Jasmin Zielke grün, am Sonntag schwarz. Die Theologin aus Hamburg hat ein ziemlich ungewöhnliches Hobby.

In Grün spielt Jasmin Zielke für die „Baltic Hurricanes Ladies“ in Kiel
In Grün spielt Jasmin Zielke für die „Baltic Hurricanes Ladies“ in KielManningeaux

Hamburg. Jasmin Zielke ist gern da, „wo es ein bisschen knallt“, nicht nur in der Gemeindearbeit. Seit Anfang Juni ist die 30-Jährige die neue Pastorin in Hamburg-Allermöhe – und spielt nebenbei American Football in der 1. Bundesliga. „Ich passe nicht ins System“, sagt sie von sich selbst.

Am Wochenende steht Zielke im Kader der Football-Bundesliga und trainiert bei den „Baltic Hurricanes Ladies“ in Kiel: „Ich bin der linke Guard. Meine Aufgabe ist es, den Quarterback zu schützen“, sagt die 1,83 Meter große Theologin. „Ich bin groß und habe einfach viel Kraft.“ In ganz Deutschland ist sie während der Saison an den Sonnabenden zu Spielen unterwegs. „Aber es ist für mich ganz klar, dass meine Gemeinde immer an erster Stelle steht“, sagt sie.

Auf Krücken im Gottesdienst

Es könne allerdings sein, dass sie den sonntäglichen Gottesdienst bandagiert feiern müsse. „Ich habe auch schon auf Krücken einen Gottesdienst gehalten.“ Auf dem Spielfeld gehe es oft ruppig zu. Vor dem Spiel würden sich die Spielerinnen mit markigen Sprüchen provozieren. „Und vergesst nicht, auch ein bisschen Platz für Jesus zu lassen“, tönt es dann von Zielke, bevor es so richtig zu Sache geht.

Jasmin Zielke – ganz brav – im Talar
Jasmin Zielke – ganz brav – im TalarPrivat

Zielke ist eine Grenzgängerin – und das nicht nur auf dem Sportplatz. „Mein Herz schlägt für schwierige Jugendliche, weil ich selbst so war“, sagt sie. „Die haben so wilde Gedanken und äußern die auch ganz gerade heraus.“ Sie erinnert sich an ihre Zeit in Kiel-Mettenhof, wo sie ihr Vikariat gemacht hat. „Dort haben die Jugendlichen immer Mindcraft gezockt, und irgendwann haben wir zusammen einfach mal eine virtuelle Mindcraft-Kirche gebaut“, erzählt sie. Die Jugendlichen seien mit Elan dabei gewesen, hätten eine Kirche ohne Stühle geplant, zum Picknicken. „Dadurch, dass ich sie in ihrem Medium abgeholt habe, haben wir einen gemeinsam Raum gefunden“.

Doch auch Seniorenarbeit macht sie gern, hört interessanten Lebensgeschichten zu und begleitet – bis zum Schluss: „Ich halte sehr gern Beerdigungen und begleite Menschen in ihrer Trauer. Da entsteht ganz viel Glaubensarbeit, und es sind so intensive Momente mit den Angehörigen.“ Daneben möchte sie Kirche weiterdenken und neu gestalten. „Ich möchte Gottesdienste an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und ausprobieren, was passt“, sagt sie.

Im Konfi-Unterricht geraucht

Aufgewachsen in einer atheistischen Familie, sei sie diejenige gewesen, die im Konfirmandenunterricht geraucht und bei den 18 Pflichtgottesdienstbesuchen geschummelt habe. „Ich habe das damals wegen des Geldes gemacht“, gibt sie zu. Mit der Fachhochschulreife in der Tasche zieht sie mit 19 Jahren nach Kiel, beginnt bei der Telekom eine Ausbildung zur Informatikerin mit der Fachrichtung Systemintegration. „Übersetzt heißt das, wenn am Computer etwas kaputt ist, kann ich das reparieren“, erklärt sie. Was sie an dieser Ausbildung aber auch gereizt habe – sich als Frau in einer Männerdomäne zu beweisen – wird im Laufe der Zeit der Grund, sich nach einem anderen Beruf umzusehen.

Parallel zur Ausbildung macht sie ihr Abitur am Abendgymnasium. Eine extreme Belastung, die sie an ihre Grenzen bringt. „Danach wusste ich, dass ich alles schaffen kann, wenn ich nur hart dafür arbeite“, sagt sie. Der neue Plan: Lehrerin werden. Deutsch und Religion. Während die überfüllten Germanistik-Vorlesungen an der Kieler Uni dem Traum der Deutschlehrerin schnell ein Ende setzen, begeistert sie die Theologie umso mehr.

„Ich liebe meine Kirche“

„Wenn ich etwas tue, dann auch mit Leidenschaft.“ Drei Stellen als Hilfswissenschaftlerin, ein Stipendium bei der Heinrich-Böll-Stiftung, die Fachschaftsleitung und Sexualpädagogik im Nebenfach – Zielke hängt sich richtig rein, setzt ihren Schwerpunkt auf Kriegstraumata und was sie für Kirchengemeinden bedeuten.

So vielfältig ein Theologiestudium ist, Glauben und sich damit auseinandersetzen, das lehre es nicht. Das habe sie im Vikariat bei der Thomasgemeinde in Kiel Mettenhof und später in der Michaeliskirchengemeinde in Kiel Hassee lernen können, so Zielke. Ihre Anleiterin Maren Schmidt habe ihr die Freiheit gegeben, „mich auszuprobieren und mir klar zu werden, was für eine Pastorin ich sein möchte“. Am Ende sei klar gewesen: „Ich bleibe einfach ich. Ich liebe meine Kirche für ihre Vielfalt“, sagt sie. „Auch wenn ich mich bei jedem homosexuellen Paar entschuldige, dass wir uns erst so spät geöffnet haben.“

Info
Jasmin Zielke wird am Sonntag, 21. Juni, um 14 Uhr in Hamburg-Rellingen von Bischöfin Kirsten Fehrs ordiniert.