Die Krähe, die beim Trauern hilft

Wie ein Vogel einem Familienvater hilft, über den Tod seiner Frau hinwegzukommen. Ein Roman, der ans Herz geht.

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Max Porter: Trauer ist das Ding mit Federn
Von Mirjam Rüscher
Er ist furchtbar vulgär und laut. Es gibt Stellen im Buch, da fühlt man sich als Leser geradezu angeschrien von ihm, von diesem widerlichen Vogel. Die Krähe – störend, ekelhaft, stinkend, erdrückend. Sie spielt in „Trauer ist das Ding mit Federn“ eine zentrale Rolle. Max Porter entwirft in seinem Buch ein skurriles Szenario, um sich dem Tod, dem Sterben und der Trauer zu nähern.
Nach dem Tod seiner Frau bleibt ein Familienvater mit seinen beiden Söhnen zurück. Der Schmerz über ihren Verlust ist so groß, dass er nicht mehr mit seinem Leben zurechtkommt. Und dann tritt „Krähe“ in sein Leben. Der Vogel nistet sich bei ihm ein. Ein störender Gast, der dem Familienvater aber nach und nach zurück ins Leben hilft.
Dass hier nicht wirklich ein schwarzer, überdimensionaler Vogel bei der Familie hockt, ist eigentlich klar, und doch kommt es irgendwie überraschend, wenn die Rede von dem eingebildeten Vogel ist. Die Krähe mischt das Leben der Familie auf, ist „Freund, Vorwand, Deus ex Machina, Scherz, Symptom, Erfindung, Schrecken, Krücke, Spielzeug, Phantom, Gag, Analytiker, Babysitter“. Der Vogel wird zum eingebildeten Therapeuten. Er mag nicht real sein, doch er ist genau das, was der Vater braucht. Keiner von diesen Betroffenheitsheuchlern, kein guter Märchenonkel. Krähe ist erbarmungslos, hackt, pickt, fordert den Vater, der so lernt, mit seiner Trauer umzugehen.
Porter zeigt in seinem Buch, dass jeder Trauer auf seine eigene Art und Weise bewältigen muss. Er beschreibt die unterschiedlichen Perspektiven auf den Todesfall, die individuellen Formen der Trauer. Porter schwelgt nicht in Sentimentalität, er findet eine andere Erzählweise für dieses heikle Thema. Er ringt mit der Sprache, mit Gott und dem Tod. Seine Schreibweise ist wie der Tod selbst: Erbarmungslos, manchmal komisch, und geht direkt ans Herz.
Max Porter: Trauer ist das Ding mit Federn
Hanser Verlag 2015
128 Seiten, 16,90 Euro

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