„Die Kommilitonen kenne ich nur aus Videokonferenzen“

Das dritte Semester in der Pandemie hat begonnen. Laura Grimm studiert Theologie an der Uni Kiel und berichtet über ihren Alltag – von begehrten Büchern bis zu hohen Semesterbeiträgen.

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Wie organisiert die Uni eigentlich derzeit das Studium?
Laura Grimm: Da möchte ich ein großes Lob an die Kieler Theologische Fakultät aussprechen. Im März vergangenen Jahres wurde schon gesagt: „Egal, was jetzt passiert, wir fangen am 6. April mit der Lehre an.“ Es gibt jetzt ein breites Angebot an digitalen Vorlesungen und Seminaren mit unterschiedlichen Formaten. Entweder werden Aufgaben gestellt, die wir abgeben und die benotet werden. Oder es gibt Aufgabenblätter und einen E-Mail-Austausch mit den Dozenten. Und jetzt, zum dritten Online-Semester, merkt man, dass die Dozenten festgestellt haben, was gut funktioniert und was weniger gut.

Wie ist jetzt die Lernsituation?
Viele Veranstaltungen finden nur digital statt. Natürlich ist es toll, dass die Dozierenden sich so viel Gedanken machen und wirklich 90 Minuten ein Seminar-Gespräch anbieten. Aber 90 Minuten digital ist etwas ganz anderes als in einem Seminarraum. Wenn es doof läuft, sieht man nur kleine Kacheln mit Namen, weil die Internetgeschwindigkeit es nicht zulässt, dass unsere Gesichter gezeigt werden. Da ist es sehr schwierig, ein Gefühl vom Studieren zu bekommen. Außerdem fehlt der Austausch, den man normalerweise im Seminar hat – also die Zwischengespräche und die direkten Nachfragen.

Gerade die Geisteswissenschaften leben ja von diesem Austausch, findet der denn überhaupt statt?
Ich kenne viele meiner Kommilitonen tatsächlich nur aus Videokonferenzen, deren Gesicht und deren Oberkörper. Ich würde sie aber wahrscheinlich in der Stadt niemals erkennen. Eigentlich würden wir nach einem Seminar sonst einen Kaffee trinken gehen und uns vielleicht noch mal über die Vorlesung austauschen. Das ist für uns Studierende wichtig für den Lernprozess, gerade in Fächern, die man nicht stupide auswendig lernt, sondern wo es darum geht, sich eine eigene Meinung zu bilden, zu diskutieren.

Laura Grimm
Laura GrimmPrivat

Trotz der guten Organisation gibt es auch Probleme. Was erleben Sie beispielsweise?
Ich spreche da vor allem für die Theologen. Wir schreiben kaum Klausuren, wir schreiben stattdessen viele Hausarbeiten, Essays oder Thesenpapiere. Und keiner von uns hat die ganze Literatur zu Hause, denn sie ist teuer. Normalerweise gehe ich nach einem Seminar in die Bibliothek und scanne Texte, die ich brauche, ein oder arbeite gleich dort. Wir dürfen jetzt nur jeweils allein einen großen Raum in der Bibliothek nutzen, was die Kapazitäten einschränkt. Und wenn eine Literaturliste für ein Seminar ausgegeben ist, dann wollen alle dieses Buch haben, doch wir können es maximal für eine Woche ausleihen. Das alles ärgert uns schon.

Was Sie noch mehr ärgert, ist das Thema Semesterbeitrag…
Genau. Erst mal muss man dazu sagen, dass viele Studierende Nebenjobs in der Gastronomie haben. Also haben viele schon mit dem ersten Lockdown ihre Jobs verloren und hatten keine Einnahmen. Festivals sind ausgefallen, auch die studentischen Hilfskräfte sind nicht sofort zurückgeholt worden. Die Mensen und die Bibliotheken sind geschlossen, das Semesterticket können wir aktuell auch nicht wirklich nutzen. Aber der Semesterbeitrag ist trotzdem erhöht worden, es sind jetzt 266,50 Euro. Das hat häufig zur Folge, dass es finanziell schwierig wird, weil wir ja unser Leben bestreiten müssen. Das Studentenwohnheimzimmer möchte trotzdem weiterbezahlt werden.

Was wünschen Sie sich?
Ich wünsche mir vor allem, dass man diese „Wem-geht-es-jetzt-am-schlechtesten-Debatten?“ weglässt und die Frage stellt: „Wo können wir Kräfte bündeln?“ Ich wünsche mir mehr Perspektiven. Ich möchte gar nicht, dass wir Studierenden jetzt sagen müssen: „Uns geht es so schlecht und wir müssen jammern“, sondern ich würde mir einfach wünschen, dass eine Bevölkerungsgruppe von knapp 3 Millionen Deutschen mehr Beachtung findet.

Was für Reaktionen gibt es, wenn Sie online davon erzählen?
Es gab viel Zustimmung. Viele, die mir geschrieben haben: „Du sprichst mir aus der Seele, genauso geht es mir schon seit längerer Zeit und ich trau mich nicht, da was zu sagen, weil es dann heißt: „So schlimm ist es doch gar nicht.“
Wir werden uns weiter vernetzen und nach Lösungen suchen, aber ich sehe im Moment keine Lösung. Ich sehe aber auch, dass es so nicht weitergehen kann. Ich hatte ein Zitat von unserem Bundespräsidenten noch mit aufgenommen, der gesagt hat, dass wir Studierende die Zukunft seien. Scheinbar scheint die Zukunft gerade­ nicht sonderlich wichtig zu sein.

Info
Das ganze Gespräch mit Laura Grimm hören Sie hier.