Die Kirche sucht die Balance

Die Synode der EKD tagt in Magdeburg. Es geht ums Klima und die eigene Bedeutung. Und es wird weiter um eine Position im Umgang mit dem Ukraine-Krieg gerungen.

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus spricht zur Synode
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus spricht zur SynodeJens Schlüter / epd

Magdeburg. Um die Situation der evangelischen Kirche zu beschreiben, wählt eine ihrer höchsten Vertreterinnen das Bild einer Slackline. Das ist ein gurtähnliches Sportgerät, das man zwischen zwei Bäume spannt, um darauf zu balancieren. Die Line wackelt gewaltig. Meist fällt man herunter, bevor man den nächsten Baum erreicht. Selten tut man sich dabei wirklich weh, weil Slacken in der Regel eine Gemeinschaftsaktion ist. Es ist meist jemand da, der einen auffängt. So in etwa will die Präses der Synode der EKD auch ihre Kirche verstanden wissen – als „Halt in aller Unsicherheit“, so formuliert es Anna-Nicole Heinrich am Sonntag in Magdeburg.

Bis Mittwoch tagt dort das Kirchenparlament, berät über interne Fragen wie den Haushalt, die eigene Verantwortung beim Thema Klimawandel, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, die Friedensethik angesichts des brutalen Kriegs in der Ukraine und über die eigene Rolle in einer Gesellschaft, in der immer weniger Menschen zu einer Kirche gehören. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung ist inzwischen Mitglied einer Kirche.

„Nicht abschrecken lassen!“

Die Synode tagt dort, „wo es deutschlandweit die wenigsten Christen gibt“, sagte die Kulturministerin Sachsen-Anhalts, Eva Feußner (CDU), in ihrem Grußwort zu Beginn der Tagung. Sie appellierte zugleich: „Lassen Sie sich nicht davon abschrecken!“ Die Kirche werde gebraucht.

Friedensbeauftragte Friedrich Kramer beim Eröffnungsgottesdienst der Synode
Friedensbeauftragte Friedrich Kramer beim Eröffnungsgottesdienst der SynodeJens Schulze / epd

Das sieht freilich auch die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, so. Seit einem Jahr ist sie die höchste Repräsentantin der 19,7 Millionen deutschen Protestanten. Vor ihrer Wahl hatte die evangelische Kirche gerade einen umfangreichen Reformprozess beschlossen. Fragen nach der eigenen Relevanz bestimmten nahezu jede Synodentagung.

Kurschus will nun einen anderen Akzent setzen. Die Frage, wozu die Kirche gebraucht werde, „stellt eine Falle“, sagte sie in ihrem Bericht vor der Synode. „Sie verführt dazu, permanent um unsere eigene Relevanz zu kreiseln“, warnte die westfälische Präses. Die evangelische Theologin sprach sich dafür aus, sich aus „vertrauten Denkmustern“ und „bewährten Traditionen“ hinauszubewegen. „Ins Tiefe“ will sie sich wagen, sagte sie. Auch das klingt ein bisschen nach Slackline.

Appell zum Waffenstillstand

Vor wenigen Tagen hatte Kurschus mit einem Appell für Gespräche über einen Waffenstillstand in der Ukraine für Aufsehen gesorgt. Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hatte sie dafür scharf kritisiert. Auf der Synode bekräftigt Kurschus unbeirrt ihre Haltung. Diplomatische Bemühungen, um einen Waffenstillstand zu ermöglichen, müssten zwingend hinzukommen zur Solidarität mit der Ukraine und deren militärischer Unterstützung. Letztere stellt Kurschus nicht infrage, anders als der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer, der sein Nein zu Waffenlieferungennochmals bekräftigt.

Klima-Aktivistin erwartet

An einem hochaktuellen und kontroversen Thema mangelt es der Synode in Magdeburg damit nicht. Auch ein besonderer Gast wird erwartet: Die Synode hat die Klima-Aktivistin Aimée van Baalen eingeladen. Sie ist Vertreterin der Bewegung „Letzte Generation“, die mit Straßenblockaden, Farbattacken auf Parteizentralen und Lebensmittelwürfe auf Kunstwerke für Schlagzeilen und Kritik sorgt. Kurschus deutete zudem an, dass sie und andere Vertreterinnen und Vertreter der Kirche bei einer für Montag in Magdeburg angekündigten Demonstration gegen die Energiepolitik der Bundesregierung das Gespräch suchen wollen.

Statt nur über Relevanz zu reden, wollen die Spitzenrepräsentantinnen der Kirche bei der Synode in Magdeburg auch Relevanz beweisen. „Wir werden gebraucht als Institution“, betonte Kurschus vor den 128 Synodalen. Auch deshalb, so kann man sie verstehen, muss sich die Kirche reformieren und entwickeln – oder, wenn man es mit den Worten der Präses Heinrich sagt: „fortbewegen, selbst wenn die Slackline unter uns wackelt“. (epd)